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Muldental bei Rechenberg-Bienenmühle

Text: Jens Weber, Bärenstein; Christian Zänker, Freiberg (Ergänzungen von Volker Geyer, Holzhau, Rolf Steffens, Dresden und Werner Ernst, Kleinbobritzsch)
Fotos: Gerold Pöhler, Christian Zänker, Jens Weber, Jürgen Steudtner, Reimund Francke


Landschaft

Die am Sklárský vrch/Glaserberg bei Moldava/Moldau entspringende Freiberger Mulde eilt auf ihren ersten Kilometern zielstrebig in westliche Richtung, ungeachtet mehrerer querliegender, wenngleich schmaler Quarzporphyrriegel. Einige Nebenbäche (Ullersdorfer Bach/Oldrišský potok, Hirschbach/Hranicní potok und Steinbach) verhelfen der Mulde schon ziemlich bald zu beachtlicher Breite und Energie. Einhundert Meter tief hat sie sich bereits in den Grauen Gneis eingegraben, wenn sie nach reichlich fünf Kilometern Böhmen und die Rodungsinsel von Moldava/Moldau (sowie der einstigen Kammsiedlungen Ullersdorf, Motzdorf und Grünwald) verlässt.

Am Teichhaus fließt der Bach über die Grenze und hinein in das große Waldgebiet, das die Orte Holzhau und Rechenberg-Bienenmühle umspannt. Nur der harte Gebirgsrücken aus Granitporphyr, der vom höchsten Berg des Ost-Erzgebirges, dem Wieselstein/Loucna, geradewegs nach Norden streicht, vermag die Mulde ein kurzes Stück von ihrer ost-westlichen Fließrichtung abzubringen. Oberhalb des Wintersportortes Holzhau hat sie ein besonders steiles Tal geschaffen. Beiderseits steigen die Talhänge über 150 Höhenmeter schroff aufwärts, rechts bis zum 805 m hohen Kannelberg, links zum 793 m hohen Katzenstein und der dahinterliegenden Steinkuppe (806 m). Der Abstand von der Talsohle zu Kannelberg und Katzenstein beträgt weniger als einen Kilometer Luftlinie, die daraus resultierenden Steilhänge haben in der Vergangenheit sogar schon zu Muren und kleineren Lawinenabgängen geführt. Dunkle Fichtenforsten unterstreichen den Eindruck der Enge des Tales.

Ab der Ortslage Holzhau begleiten wieder Wiesenhänge, vorrangig auf der Südseite, den weiter gen Westen fließenden Bach, ohne jedoch den Taleinschnitt weniger steil erscheinen zu lassen. Kurze, gefällereiche Tälchen gliedern den Nordhang auf, hier "Dellen" genannt (Brett-Delle, Richter-Delle, Drei- und Vierdelle).


Dreidelle

Von Süden fließen der Mulde der Bitterbach, anOrtskern dem sich die Häuser von Holzhau aufreihen, sowie der Trostgrundbach zu. Beiderseits von Rechenberg und Holzhau prägt ein enger Wechsel von Freiberger Grauen Gneisen und Roten Muskovitgneisen ("Metagranitoide") den Untergrund. Letztere bringen in der Regel weniger ertragreiche Böden hervor - der Waldanteil ist hier entsprechend höher. Besonders bemerkenswert ist indes ein größeres Amphibolit-Vorkommen im Bereich des Trostgrundes. (Amphibolite waren in grauen Vorzeiten einmal basische Magmengesteine wie Diabas oder Gabbro, bevor sie im Verlaufe der Erdgeschichte wieder in tiefere Erdzonen gelangten und unter hohem Druck und heißen Temperaturen umgewandelt - metamorphisiert - wurden, genau wie dies bei den Gneisen des Erzgebirges geschah, die jedoch auf überwiegend saure Ausgangsgesteine zurückgehen. Ein weiteres Amphibolithvorkommen zeigt die bis zu 10 m hohe Felswand des Husarensteins in Niederclausnitz.) Das basische Gestein spiegelt sich auch in der Bodenvegetation wider. Ebenfalls einen erhöhten Kalzium- und Magnesiumreichtum im Boden bietet stellenweise die Phyllitinsel westlich des Kannelberges. Im Gebiet der Brett-Delle wurde zeitweilig sogar Kalk abgebaut.


Mulde zwischen Teichhaus und Holzhau

Etwa 12 Kilometer Laufstrecke und 320 Höhenmeter hat die Freiberger Mulde bereits hinter sich, bevor sie ab Bienenmühle allmählich in die "normale" Fließrichtung der sächsischen Erzgebirgsbäche, nämlich nach Nordwest bis Nord, einschwenkt. Seit im Tertiär der Rumpf des "Ur-Erzgebirges" auseinanderbrach, das heutige Erzgebirge als Pultscholle angehoben und schräggestellt wurde, erstreckt sich der Kamm ziemlich geradlinig von West-Süd-West nach Ost-Nord-Ost. Die daraus resultierende Hangabtriebskraft auf der Pultscholle bestimmt die Hauptfließrichtung des Wassers - insofern sich diesem nicht geologische Hindernisse in den Weg stellen. Dies können zum einen harte Gesteine sein oder aber tektonische Bruchzonen. Letzteres hat am Oberlauf der Freiberger Mulde eine Rolle gespielt. Das Auseinanderbrechen des "Ur-Erzgebirges" erfolgte nicht mit einem Mal und nur an einer Stelle. Der unter enormem Druck stehende Gebirgsrumpf wurde an vielen Stellen zerrissen, auch wenn diese heute kaum so ins Auge fallen wie etwa der steile Südabbruch des Erzgebirges (Bergleute jedoch mussten es immer wieder erleben, wie ein Erzgang, dem sie mühevoll gefolgt waren, abbrach und an ganz anderer Stelle sich fortsetzte). Eine Ost-West-verlaufende "Blattverschiebung" (ein Gesteinspaket wurde horizontal nach rechts, das andere nach links verschoben) hat den oberen Talverlauf der Freiberger Mulde mitbestimmt.

Auf alle Fälle hat die Erdgeschichte hier eine Landschaft mit außerordentlich hoher Reliefenergie und deswegen auch großem Erlebniswert entstehen lassen. Von der Basalterhebung der Steinkuppe, den Granitporphyrklippen des Morgensteins oder vom Waldrand oberhalb der Rechenberger Kirche kann man eindrucksvolle Ausblicke auf das obere Muldental genießen.

Sowohl östlich des Teichhauses als auch um Rechenberg und Holzhau bilden sich vor allem im Winterhalbjahr ausgesprochene Kaltluftseen, die nicht nur fotogene Morgennebel, sondern auch erstklassige Wintersportbedingungen mit sich bringen. Wenn im Frühling die Sonne höher steigt und an den steilen Südhängen den Schnee rasch schmelzen lässt, kann man an den gegenüberliegenden Abfahrtshängen noch lange skifahren. Einige Wochen später dann gibt die Natur hier sehr schöne Bergwiesen frei.


Morgennebel im Muldental

Umgeben ist das Muldental bei "ReBi", wie die Einheimischen ihren Ort Rechenberg-Bienenmühle kurz nennen, von großen, zusammenhängenden Wäldern: im Nordwesten vom Bienenholz, im Nordosten vom Töpferwald, im Süden vom Ringelwald und vom Fischerwald. Bis auf das Bienenholz gehen die Bezeichnungen wahrscheinlich nur auf kleinere Forstorte innerhalb des geschlossenen Waldgebietes zurück und wurden erst in neuerer Zeit von Kartografen auf größere Waldkomplexe übertragen.

Erst westlich und nördlich von Bienenmühle, wo wieder Graugneis fruchtbarere Böden hervorbringt, erstrecken sich die Fluren zweier typischer erzgebirgischer Waldhufendörfer: Clausnitz (links der Mulde) und Nassau (rechts). Nassau ist stolze sechs Kilometer lang, was aber für die langgestreckten Ortschaften an den Seitenbächen der Freiberger Mulde gar nicht so ungewöhnlich ist. Auch in Lichtenberg, Zethau und den meisten anderen Dörfern hier benötigt man über eine Stunde für einen Fußmarsch von einem Ortsende zum anderen. Die langen Seitentäler mit den ertragsreichen Gneisfluren boten genügend Raum für viele Siedler. Im Gegensatz zum extrem schroffen Oberlauf der Mulde ist die Landschaft im mittleren Teil eher flachwellig, der Höhenunterschied zwischen der breiten Talsohle und den umgebenden Hochflächen viel geringer. Eine Radtour entlang der Mulde präsentiert dem Naturfreund ein spannendes landschaftliches Kontrastprogramm.

Die Orte Bienenmühle, Rechenberg und Holzhau unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Geschichte ganz beträchtlich. Wahrscheinlich bereits Anfang des 13. Jahrhunderts ließen die böhmischen Herren von Hrabišice/Hrabischitz (tschechisch: hrab = Rechen) eine kleine Schanze auf einem Felssporn errichten, wohl um ihren Siedlungsvorstoß über den Erzgebirgskamm (Richtung Purschenstein und Sayda) abzusichern. Viel Platz für eine Festung bot der Burgfelsen nicht, doch fand sich in deren Schutz bald ein "Stetlein" ein. Im 18. Jahrhundert verfiel dann die Burg, und heute künden nur noch wenige restaurierte Mauerreste vom einstigen Wehrturm. Zum historischen Ortskern im Umfeld des Rechenberger Burgfelsens gehören die Brauerei, das frühere Herrenhaus, die ehemalige Schule (heute Rathaus) und ein kleiner Marktplatz. Anstelle des Marktes befand sich bis Ende des 19. Jahrhunderts ein großer Flößereiteich.


Ruine Rechenberg im 18. Jahrhundert (zeitgenössische Darstellung)

Wesentlich später entstand im Umfeld einer Sägemühle neben dem "Bienholz" genannten Waldgebiet der Ort Bienenmühle. 1876 erreichte von Freiberg aus die Eisenbahn die Bienenmühle, 1885 wurde die Strecke bis Moldau/Moldava verlängert, wo Anschluss an das böhmische Eisenbahnnetz bestand. Fortan verkehrten hier täglich etliche (mitunter mehr als zehn) Braunkohlezüge aus dem Raum Brüx/Most nach Freiberg, jeweils mit 40 oder 50 Waggons, gezogen von drei Lokomotiven. Bienenmühle wurde zu einem großen Rangierbahnhof. Handwerk aller Art siedelte sich an, der vorher beschauliche Flecken veränderte innerhalb kürzester Zeit radikal seinen Charakter und entwickelte sich zu einem Industriestandort.

Ganz anders die Geschichte von Holzhau: wie der Name vermuten lässt, handelte es sich einst um eine Holzfällersiedlung. Zuvor bereits nutzten in der Gegend mehrere Glashütten des "Glaserzeugungskreises Moldava/Moldau" den Holzreichtum des Bergwaldes. Heute weisen Tafeln eines Glasmacher-Lehrpfades auf deren Standorte hin. Doch immer mehr trat der Rohstoffhunger des Freiberger Bergbaus in den Vordergrund.

Im Jahr 1532 kaufte der Landesherr Herzog Georg den Wald zwischen Mulde, Bitterbach und Böhmischer Landstraße und ließ hier Holzfäller ansiedeln. Das Holz wurde bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts (bis zum Bau der Eisenbahn) auf der Mulde nach Freiberg geflößt. Mehrere große Teiche sollten der Flösserei ausreichend Wasser bereitstellen, so ein zwei Hektar großes Gewässer direkt unterhalb des Burgfelsens in der Ortslage Rechenberg (beim Hochwasser1897 zerstört), ein Teich am Teichhaus (Name!) und einer am Hirschbach. Die beiden letzteren mussten dem Bau der Eisenbahnstrecke weichen.

Doch sogar die Holzvorräte des oberen Muldegebietes reichten bald nicht mehr aus, um die enorme Nachfrage der Freiberger Gruben und Erzverarbeitungsbetriebe zu befriedigen. Mit einem 18 Kilometer langen Floß-Kanal, der sogenannten Neugrabenflöße, wurde deshalb ab dem 17. Jahrhundert auch der Wald am südlich benachbarten Flöha-Oberlauf erschlossen. Zwischen Cämmerswalde und Clausnitz querte dieser drei bis vier Meter breite Graben die Wasserscheide und mündete schließlich mit dem Clausnitzer Dorfbach in die Mulde. Interessante und teilweise rekonstruierte Reste dieses technischen Denkmals kann man unter anderem südlich des "Ringels", an der Straße Bienenmühle - Deutschgeorgenthal, erleben.

Mit der Eisenbahn kamen um 1880 auch die ersten Touristen ins Rechenberger Gebiet, damals noch als Sommerfrischler bezeichnet. Vor allem für Holzhau, dessen Einwohner sich mit Waldwirtschaft, ein wenig Viehzucht und bescheidenem Heuverkauf mehr schlecht als recht ernähren konnten, versprach der Fremdenverkehr eine zusätzliche Einkommensquelle, die bald zum Haupterwerb wurde. Es entstanden die ersten Pensionen, beispielsweise die "Fischerbaude" oder "Richters Pension und Sommerfrische" (heute bekannt als "Gaststätte Muldental"). Besonders die verhältnismäßig schneesichere Lage lockte darüber hinaus immer mehr Wintergäste in den kleinen Ort an der Bahnstrecke.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die grenzüberschreitende Bahnverbindung wurde zwar nach dem zweiten Weltkrieg bei Neurehefeld gekappt, und seit 1972 ist Holzhau Endstation. Die in den 1990er Jahren modernisierte und privatisierte Muldentalbahn bietet Naturfreunden und Wintersportlern dennoch eine gute Erreichbarkeit des Gebietes.

Pflanzen und Tiere

Bedingt durch die großen Höhenunterschiede auf relativ engem Raum sowie die geologische Vielfalt zeichnen sich der oberste Abschnitt der Freiberger Mulde und die sie umgebenden Berge durch ein sehr breites Artenspektrum aus. Zu den im gesamten Ost-Erzgebirge mehr oder weniger häufigen Arten treten hier in größerer Menge auch typisch montane Pflanzenarten wie Meisterwurz (große Bestände vor allem auf tschechischem Gebiet nahe Moldava/Moldau), Alpen-Milchlattich (größere Vorkommen im Wald südlich von Bienenmühle) und Bach-Greiskraut (in den Auen der Mulde und ihrer Zuflussbäche) auf.


Bach-Greiskraut

Die potenziell natürliche Vegetation - also das Pflanzenkleid, das die Gegend prägen würde, hätte der Mensch nicht die natürlichen Wälder gerodet oder in Fichtenforsten umgewandelt - wäre ein Hainsimsen-(Tannen-Fichten-)Buchenwald, der auf den höchsten Bergen südlich und südöstlich von Holzhau in einen Wollreitgras-Fichten-Buchenwald übergeht. Die Fichte käme also durchaus auch natürlicherweise vor. So flächendeckend, wie man sie heute sowohl an den Steilhängen wie auch auf den Bergkuppen antrifft, sind die Fichtenmonokulturen jedoch das Ergebnis von fast 200 Jahren intensiver Forstwirtschaft.

Trotzdem findet man in der Umgebung von Rechenberg-Bienenmühle und Holzhau auch noch einige der schönsten naturnahen Wälder des Ost-Erzgebirges. Dies betrifft in erster Linie das Naturschutzgebiet Trostgrund, aber auch Bestände im Bienholz (nördlich von Bienenmühle), in der Brett-Delle sowie an den steilen Südhängen des Kannelbergmassivs nördlich von Holzhau (dort aber auch einige reine Buchenforsten fast ohne Mischbaumarten).

Die Wälder nördlich der Mulde stocken überwiegend auf saurem Untergrund (abgesehen von einigen etwas basenreicheren Gründen im Pyllitgebiet, vor allem der Brett-Delle). Ihre Krautschicht wird von Drahtschmiele, Schattenblümchen, Fuchs-Kreuzkraut und Dornfarn gebildet. Wolliges Reitgras, an etwas nährstoffreicheren Standorten auch Quirl-Weißwurz und Purpur-Hasenlattich, zeugen vom Berglandcharakter der Wälder, während merkwürdigerweise die namengebende Art des Luzulo-Fagetums, die Schmalblättrige Hainsimse, selten zu finden ist.


Fichten-Buchen-Mischwald in der Brett-Delle

Wesentlich vielfältiger hingegen präsentieren sich einige nordexponierte Wälder südlich der Freiberger Mulde. In besonderem Maße gilt das für den Trostgrund und sein Umfeld. Amphibolit, ansonsten im Ost-Erzgebirge meist nur in kleinen Gängen und Linsen vorhanden, sorgt hier auf über einem Quadratkilometer für mehr oder weniger basenreiche Böden. Das lässt Springkraut- und Zwiebelzahnwurz-Buchenwälder gedeihen. Der Zahnwurz-Buchenwald ist eine Berglandform des Waldmeister-Buchenwaldes, in dem neben Zwiebel-Zahnwurz und Waldmeister auch Frauenfarn, Bingelkraut, Waldgerste und Goldnessel vorkommen. Noch deutlich mannigfaltiger ist die Bodenflora in den (sicker-) feuchten Springkraut-Buchenwaldbeständen. Neben den gerade genannten Arten findet man hier: Echtes Springkraut, Hain-Sternmiere, Hexenkraut, Wald-Ziest, Gegenblättriges Milzkraut, Berg-Weidenröschen, Kriechender Günsel. Die nährstoffliebende Brennnessel profitiert offenbar von den Waldkalkungen der Forsten in den letzten zwei Jahrzehnten. Selbst die an das Naturschutzgebiet Trostgrund angrenzenden, meist mit Fichten (und relativ wenigen anderen Bäumen) bestockten Waldabschnitte weisen ebenfalls eine vergleichsweise artenreiche Bodenschicht auf.

Die Wälder um Rechenberg-Bienenmühle und Holzhau haben überregionale Naturschutz-Bedeutung und wurden deshalb als NATURA-2000-Gebiet entsprechend der so genannten "Flora-Fauna-Habitat"-Richtlinie der Europäischen Union ausgewiesen. Ein noch größerer Waldkomplex, bis hin zur Staatsgrenze, ist EU-Vogelschutzgebiet ("Waldgebiete bei Holzhau").

Von besonderem Reiz sind die zahlreichen (vor allem nord- bis nordostexponierten) Bergwiesen im Umfeld von Holzhau und Rechenberg. Viele Wiesen erscheinen hier mehr oder weniger feucht und werden von Berglandsarten wie Bärwurz, Alantdistel, Wiesenknöterich und Wald-Storchschnabel geprägt. Demgegenüber sind die südexponierten Hangwiesen eher trocken und bieten neben Magerkeitszeigern wie Heide-Nelke und Thymian auch eher wärmeliebenden Arten, beispielsweise Zickzack-Klee und Echtes Johanniskraut. Wenngleich auch um Holzhau und Rechenberg die intensive Viehhaltung vergangener Jahrzehnte die Flora hat verarmen lassen, so konnte sich doch in diesem Teil des Ost-Erzgebirges - fernab größerer Stallanlagen - noch verhältnismäßig viel von der einstigen Blütenpracht der Bergwiesen erhalten.


Wiese am Holzhauer Skihang

Das Wasser der Freiberger Mulde ist in ihrem Oberlauf noch kaum von Abwässern irgendwelcher Art verunreinigt - ganz anders als weiter talabwärts, wo sie über Jahrhunderte mit den Abprodukten von Bergbau und Industrie belastet wurde. Im sauberen, sauerstoffreichen Gebirgsbach um Rechenberg-Bienenmühle tummeln sich Bachforellen, von denen sich im Winter gelegentlich der Fischotter einen Anteil holt. Weiterhin kommt die Westgroppe vor, und auch das seltene Bachneunauge lebt in der oberen Freiberger Mulde - äußerlich ein Fisch, aber eigentlich ein stammesgeschichtlich viel älterer Vorläufer der "richtigen" Fische, dessen Skelett noch aus Knorpel besteht (und nicht aus Knochen). Ursprünglich hielt man neben dem eigentlichen Auge auch die seitlichen Nasenöffnungen und die sieben Kiemenspalten für Augen - daher der seltsame Name. Zur reichen Bachfauna gehören ebenfalls Köcher-, Stein- und Eintagsfliegenlarven, darunter auch einige seltene Arten. Typische Brutvogelarten am Fließgewässer sind Stockente, Gebirgs- und Bachstelze sowie insbesondere die Wasseramsel. Insgesamt ist aber sind Artenvielfalt und Vorkommensdichte entsprechender Tierarten eher gering, was einerseits mit dem beschränkten Nahrungsangebot eines Bergbaches zusammenhängt, zusätzlich aber auch durch zeitweilig sehr niedrige pH-Werte infolge Bodenversauerung ("saurer Regen" + Fichtenwirtschaft) bedingt sein dürfte.


Bachstelze

Von den knapp achtzig Brutvogelarten des Gebietes kommen auf den Berg- und Nasswiesen Wiesenpieper und Braunkehlchen vor, außerdem die generell Offenland bevorzugenden Arten Mäusebussard, Wachtel, Feldlerche und Goldammer. Im Bereich der Siedlungen kann man Star, Rauch- und Mehlschwalbe antreffen. Typische Buchenwaldarten sind Hohltaube, Schwarz- und Grauspecht, Waldlaubsänger, Sumpfmeise, sporadisch auch Trauer- und Zwergschnäpper. In den Fichtenforsten sind Waldschnepfe, Sperlings- und Raufußkauz (Bruthöhlen meist in einzelnen Buchen), Wintergoldhähnchen, Misteldrossel, Tannen- und Haubenmeise, Gimpel, Erlenzeisig und Fichtenkreuzschnabel zu Hause. Aus den Fichtenbeständen unternimmt der Sperber Jagdausflüge bis in die Ortschaften hinein. Vor allem im Waldrandbereich fallen Baumpieper und Wacholderdrossel auf, wo es Hecken gibt auch Neuntöter. Sporadische Brutvögel (halb-)offener Feuchtgebiete, insbesondere in Grenznähe, sind außerdem Kiebitz, Bekassine und Raubwürger, im Wald der Tannenhäher. Ehemals kam an der Grenze zu Tschechien auch das Birkhuhn vor, und es könnte sich bei entsprechender Biotoppflege hier auch wieder ansiedeln.

Bei den Amphibien gibt es lediglich Nachweise von Grasfrosch, Erdkröte und Bergmolch, bei den Reptilien von Waldeidechse, Glattnatter und Kreuzotter.

Die Wälder der Umgebung sind recht reich an Wild - bzw. waren sie es bis vor wenigen Jahren. 1739 sollen hier bei einer kurfürstlichen Großjagd 500, nach anderen Angaben sogar 800 Rothirsche und Wildschweine erlegt worden sein. Konkurrenten waren da natürlich nicht willkommen, und so wurde 1748 der letzte Wolf der Gegend getötet. In den letzten Jahrzehnten gibt es allerdings Anzeichen, dass auf leisen Pfoten ein anderer Jäger gelegentlich durch die Holzhauer Wälder streift: der Luchs.

Durch die Wildabschüsse der letzten Jahre gelingt es jedoch heute nur noch selten, Rothirsche zu beobachten oder im Herbst deren Brunftrufe zu vernehmen. Die drastische Reduzierung des Wildbestandes durch die Staatsförster soll dem Ziel dienen, auch wieder Laubbäume und Weißtannen wachsen zu lassen, die in Ermangelung sonstiger Nahrung innerhalb der Fichtenforsten sonst sofort von Hirschen und Rehen wieder weggefressen werden.

Weitere einheimische Säugetiere des Gebietes sind Feldhase, Eichhörnchen, Fuchs, Stein- und Baummarder, Waldiltis, Hermelin und Mauswiesel, außerdem die Kleinsäuger Maulwurf, Wald-, Wasser-, Sumpf- und Zwergspitzmaus, Rötel-, Gelbhaus-, Wald- und Zwergmaus, Erd-, Feld- und Schermaus sowie die Haselmaus. An Fledermäusen wurden bisher das weit verbreitete und anpassungsfähige Braune Langohr sowie die Berglandsiedlungen bevorzugende Nordfledermaus nachgewiesen.


Nordfledermaus

Quellen:

ALBRECHT, Helmut u.a. (2004): Industriearchäologie; Historische Gewerbe- und Industriestandorte im Tal der oberen Freiberger Mulde; Sächsisches Industriemuseum

HAMMERMÜLLER, Martin (1984): Frauenstein, Rechenberg-Bienenmühle, Holzhau, Nassau ; Tourist-Wanderheft 5

HEMPEL, Werner, SCHIEMENZ, Hans (1986): Handbuch der Naturschutzgebiete der DDR, Band 5

HOFMANN, Eberhard (1959): Restwaldbestände an der oberen Freiberger Mulde; Diplomarbeit TU Dresden

RICHTER, Jörg (1995): Chronik Rechenberg-Bienenmühle, Kurzfassung

WILSDORF, Helmut, HERRMANN, Walther, LÖFFLER, Kurt (1960): Bergbau - Wald - Flösse; Freiberger Forschungshefte D28

Werte der deutschen Heimat: Östliches Erzgebirge (Band 10); 1966

www.rechenberg-bienenmuehle.de