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Hermsdorf

Das etwa 4 Kilometer lange Waldhufendorf Hermsdorf dürfte im Kern fast so alt wie Frauenstein sein, wurde aber offensichtlich nicht im Ganzen "aufgesiedelt", sondern nacheinander, abschnittsweise: zuerst das heutige "Mitteldorf" mit der Kirche, später (wahrscheinlich im Zuge der "bäuerlichen Nachbesiedlung" um 1500) das "Vorderdorf" und schließlich das "Oberdorf", das noch bis 1731 selbständig war. Vom "Buschhaus" (705 m üNN) steigt das Vorderdorf bis auf 750 m an ("Polsterschmiede"), fällt dann zum Richtergrund (675 m) ab und steigt dann nochmals bis auf 780 m im Oberdorf an.


ehemaliger Bahnhof Neuhermsdorf

Schließlich kam noch "Neuhermsdorf" hinzu, nachdem 1885 an der Muldentalbahn (Nossen - Freiberg - Most/Brüx) der Bahnhof Hermsdorf-Rehefeld (737 m üNN) entstanden war und Erholungssuchende aus den Städten zur "Sommerfrische" oder zum Wintersport anreisten. Nach der Grenzschließung 1945 endete diese Bahnlinie von Freiberg her zunächst hier, ab 1972 schon in Holzhau. Als ältestes Anwesen (1683) befindet sich das heutige Hotel "Altes Zollhaus" dort, wo die von Seyde her kommende Geleitsstraße auf die Teplitzer Straße trifft (762 m üNN). Von hier aus sind mehrere abgelegene Täler (Köhlersgrund, Becherbachtal und Hirschbachtal) als Wanderziele bequem erreichbar. Am Ortseingang von Frauenstein her steht ein Gasthaus mit Fachwerk, die "Grüne Tanne" (auch "Buschhaus" genannt), dessen Name auf die Amtswohnung (bis 1681) eines reitenden Försters des Bärenfelser Forstamtes Bezug nimmt.

Außer dem seit alters her begehrten Kalkstein im Gimmlitztal wurde direkt in der Ortslage Hermsdorf bis in die Nachkriegszeit noch ein grünlichgrauer Quarzporphyr abgebaut, der eine eigentümliche, mehr oder weniger plattige Absonderung zeigt und deshalb als Baustein willkommen war. Lesesteine sind stets (und Bruchsteine von Klüften aus) durch Biotitverwitterung braun gefärbt. In dem heute auflässigen "Walthers Steinbruch" (nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen "Waltherbruch" des Kalkwerkes) hoch oben über der Dorfmitte wurden Werksteine für Gebäudemauern, z.B. für die neue Hermsdorfer Kirche (1890) sowie Platten für Treppenstufen, Hofpflaster usw. gewonnen. Man sieht diesen leicht kenntlichen, weil farblich abweichenden Porphyr in vielen Dörfern der Umgebung in Gebäudemauern aller Art verbaut. Er verleiht solchen Bauwerken ein etwas düsteres Aussehen, das aber zur herben Gebirgslandschaft passt.


Quarzporphyr in Walthers Steinbruch (Ortslage Hermsdorf)

Auch Altbergbau auf Erz und Steinkohle ist in Hermsdorf zu verzeichnen und zwar im nördlichen Teil seiner Flur. Am Fuße des heute aus den Landkarten verschwundenen "Silberberges" gab es zwei Zechen (mit dem "Silberberg - Erbstolln" und "Segen des Herrn - Erbstolln), auf denen ein bescheidener Bergbau umging. 1839 wurde das Silberberger Huthaus schließlich "kassiert". Im Goldbachtal sollen einer Sage zufolge "Gold- und Silberkörner" gefunden bzw. durch Venetianer (= Walen) ausgewaschen worden sein. Von Hermsdorf ist auch ein besonderer Blei-Zink-Erztyp bekannt. Bleiglanz und Zinkblende haben sich in den dolomitischen Kalkablagerungen gebildet und wurden später durch Aufheizung infolge Magmatismus als Bänder- und Brekzienerz angereichert. Vor einigen Jahrzehnten wurde nach einem Probeabbau und Verhüttung in Freiberg dieser Bergbau als unökonomisch wieder eingestellt. Die Suche nach Steinkohle war letzten Endes erfolglos. Da im benachbarten Schönfeld seit 1761 mit wechselndem Erfolg anthrazitische Glanzkohle abgebaut worden war, trieb man 1810 im Weißbachtal, oberhalb der Essigmühle, einen Stollen in den Berg und brachte weiter oben einen Versuchsschacht nieder, fand aber nur Kohleschmitzen.

Im Hermsdorfer "Vorderdorf" befindet sich zwischen Kammstraße und Dorfstraße ein kleines, verfallendes Gewölbe über dem sog. "Herrschafts- oder Frauensteinischem Hauptbrunnen" (kurz "Herrenbrunnen" genannt), aus dem ein Bächlein austritt, das zur Gimmlitz fließt. 1473 hatte Caspar von Schönberg veranlasst, von hier aus eine aus hölzernen Röhren bestehende Wasserleitung bis auf seine Frauensteiner Burg zu verlegen. Nach anderen Angaben war es ein mit Steinen ausgelegter, etwa 7 km langer Graben. Wahrscheinlich haben in solchen Arbeiten erfahrene Bergleute dieses Werk vollbracht, denn das Gefälle beträgt nur wenige Dekameter. Nach dem Bau des neuen Schlosses wurde die Wasserleitung überflüssig und dient seit 1717 (1720 überwölbt) als Wirtschaftsbrunnen der Wasserversorgung des Vorderdorfes.


Bergwiese in Hermsdorf

Außer den bekannten "Gimmlitzwiesen" gibt es auf der Hermsdorfer Flur noch weitere Bergwiesen, die im Mai/Juni mit typischen Gräsern und Blütenpflanzen, wie Wald-Storchschnabel, Kuckucks-Lichtnelke, Wiesen-Schaumkraut, Wiesen-Knöterich, Scharfem Hahnenfuß, Wiesen-Sauerampfer und Alantdistel ein buntes Bild bieten. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Bauernhof von Familie Zönnchen im "Vorderdorf", die sich hier seit 1991 erfolgreich mit Wiesen- und Landschaftspflege (einschürige Mähwiesen mit anschließender Schafbeweidung) und mit Gallowayzucht befassen und insbesondere wertvolle Arbeit beim Erhalt der Gimmlitzwiesen leisten (außerdem: Reiterhof mit Ferienpension - "Urlaub auf dem Bauernhof").

Ganz in der Nähe, oberhalb der Kammstraße, sieht man in der Feldflur unter hohen Bäumen ein kleines massives Häuschen, das an eine Feldscheune denken lässt. Es ist ein so genanntes "Brechhäusel", das - als letztes von vier - an den ehemaligen Flachsanbau erinnert. Dieser spielte im östlichen Erzgebirge bis in die Nachkriegszeit immer eine große Rolle - bis hin zur Verarbeitung, Spinnen und Weben. Zahlreiche wassergetriebene Ölmühlen arbeiteten in allen Gebirgstälern, und das Leinöl war als Speiseöl sehr beliebt. Die fortschreitende Technisierung in der Landwirtschaft und verbesserte Transportmöglichkeiten bereiteten dem arbeitsintensiven Flachsanbau mit viel Handarbeit in den 1950er Jahren ein Ende. Die Grünlandbewirtschaftung trat zunehmend an die Stelle des Ackerbaus (außer Lein v.a. Hafer, Futtergetreide und Kartoffeln). In diesem Zusammenhang sei auch auf das sehenswerte "Bauern- und Heimatmuseum" von Familie Bretschneider mit Pension und Gaststätte im Mitteldorf verwiesen, wo ältere landwirtschaftliche Maschinen, Gerätschaften und Handwerkszeug ausgestellt sind.