Am südwestlichen Ortsausgang von Lauenstein klafft direkt neben der Straße ein großer Steinbruch im Fuß der Sachsenhöhe. Insgesamt rund 50 Meter streben die Gneiswände mach oben - besonders in der frühen Morgensonne ein eindrucksvolles Bild.
Bei Betrachtung des dunkelgrau-weiß-gesprenkelten Gesteins fällt auf, dass die für Gneis sonst so typische Schieferung (in Geologensprache: "Textur") nur sehr schwach ausgebildet ist. Viele Bruchsteine hier würde der Laie zunächst für Granit halten, und tatsächlich wird das Gestein als Granitgneis bezeichnet. Ob das Ausgangsmaterial im Präkambrium verfestigtes Sedimentgestein oder bereits damals ein Granit war - ob also ein Para- oder ein Orthogneis vorliegt - kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Doch die nachfolgende Erhitzung in der Tiefe der Erde während der Gebirgsbildungsepochen des Erdaltertums war so groß, dass das Gestein nicht, wie "normaler" Gneis, nur plastisch verformt, sondern sogar fast wieder aufgeschmolzen wurde. (Ob das während der Cadomischen oder erst während der Variszischen Gebirgsbildung geschah, auch darüber herrscht unter den Geologen noch keine Einigkeit). Eine solch radikale Metamorphose wird "Anatexis" genannt. Auffällig ist jedoch, dass nicht das gesamte Material gleichmäßig betroffen war. Innerhalb des granitischen Gefüges sind Einschlüsse enthalten, die bis zu zehn Zentimeter groß sein können und wohl überwiegend aus Glimmeraggregaten oder Quarz bestehen.
Seit mehreren Jahren ruht der Steinbruchbetrieb, auf der Sohle werden Erdaushub, Schotter und Bauschutt gelagert. Allerdings hat das Betreiberunternehmen nach wie vor die Möglichkeit, erneut mit dem Abbau zu beginnen.
Das könnte sich ungünstig auswirken auf die nördlich angrenzenden Bergwiesen, die zu den wertvollsten des oberen Müglitztalgebietes gehören (vom Geisingberg abgesehen). Seit vielen Jahren allerdings unterstützt die Steinbruchfirma die Bemühungen der Grünen Liga Osterzgebirge, durch Pflegemahd diesen Wiesenkomplex zu erhalten. Über 70 verschiedene Wiesenpflanzen gedeihen auf der oberen und der unteren "Steinbruchwiese" sowie der nördlich angrenzenden "Skihangwiese" (hier befand sich vor langer Zeit einmal ein Skilift).
Die Teilbereiche werden von Steinrücken getrennt. Zu den Arten gehören fast alle charakteristischen Vertreter der Bergwiesen des Müglitztalgebietes. Vorherrschende Gräser sind dabei Rot-Schwingel, Flaumiger Wiesenhafer, Wolliges Honiggras, Ruchgras, Zittergras, Goldhafer, Schmalblättrige und Vielblütige Hainsimse; verschiedene Seggen markieren Feuchtstellen; an schattigen Säumen erinnert noch das Weiche Honiggras an die zurückliegende Brachezeit, auf der Skihangwiese auch stellenweise reichlich Knaulgras an frühere Rinderweide. Die beherrschenden Bergwiesenkräuter sind Bärwurz, Perücken-Flockenblume, Weicher Pippau, Alantdistel, Kanten-Hartheu, Frauenmantel, Ährige Teufelskralle, Große Sterndolde, dazu kommen noch viele "normale" Wiesenblumen wie Margerite, Gamander-Ehrenpreis ("Gewitterblümchen"), Scharfer Hahnenfuß, Rauer Löwenzahn, Vogel-Wicke usw. Von besonderer Bedeutung sind die Steinbruchwiesen aber wegen des - erfreulicherweise wieder zahlreichen - Vorkommens der Orchideenarten Großes Zweiblatt und Stattliches Knabenkraut. Während ersteres vielleicht gar nicht so sehr selten ist und aufgrund seiner unscheinbar grünen Farbe möglicherweise oft übersehen wird, gehört die Population des Stattlichen Knabenkrautes zu den letzten dieser einstigen Charakterpflanze des Ost-Erzgebirges. Als 1997 hier nach längerer Brachezeit die Pflege wieder aufgenommen wurde, kamen nur noch wenige Individuen jedes Jahr zur Blüte. Dann stabilisierte sich der Bestand bei 30 bis 40 blühenden Pflanzen, mittlerweile danken über hundert Stattliche Knabenkräuter die aufwendige Arbeit der Grüne-Liga-Helfer. Diese umfasst die alljährliche Mahd mitsamt Heugewinnung, meist im Juli während des Heulagers, außerdem Entbuschungen in den Wiesenbereichen, wo Aspen, Himbeeren und andere Gehölze zuviel Licht wegnehmen. Und auch auf den Steinrücken, die die einzelnen Wiesen voneinander trennen, wurde schon die Säge angesetzt, um dort einerseits sonnenbedürftige Arten - z.B. Wild-Apfel - zu fördern, andererseits aber auch den Orchideensamen und den Pflanzenbestäubern die Überwindung der Barrieren zu erleichtern.
Ein Maispaziergang zum oberen Rand des ehemaligen Lauensteiner Skihanges bietet ein wunderbares Naturerlebnis. Der Blick schweift hinüber zur Stadt Lauenstein mit Schloss und Kirche, davor verwandeln der Bärwurz und die Weißdornsträucher die Wiese in ein weißes Blütenmeer. Auch hangaufwärts leuchten weiße Blüten, nämlich die der Traubenkirschen in einem Gehölzstreifen, in dem sich ein kleiner Feldweg entlangzieht. Das prächtige Violett des Stattlichen Knabenkrautes ist dann der Höhepunkt eines solchen Wiesenausfluges.
Aber Vorsicht: Bitte im Frühjahr auf keinen Fall die Wiesen betreten - auch wenn die Fotomotive noch so reizen! Die jungen, noch nicht blühenden Pflänzchen des Knabenkrautes sind sehr unscheinbar, die des Zweiblattes sowieso. Ein unachtsamer Tritt, und die mehrere Jahre dauernde Entwicklung einer Rarität ist beendet - viele unachtsame Tritte, und alle Anstrengungen zum Erhalt dieser besonders wertvollen Wiesen waren umsonst.