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Hochwasserdamm Lauenstein


neuer Staudamm Lauenstein

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Bau des Hochwasserdammes führte eine durchgängige Straße von Lauenstein zum kleinen Grenzweiler Müglitz. Bis 1945 überquerte dort die Straße die Grenze, einstmals einer der wichtigsten regionalen Übergänge nach Böhmen. Zuerst durch die Unterbrechung dieser Straßenverbindung in Müglitz und nun noch mehr durch den Dammbau ist der Talabschnitt zu einem reizvollen Gebiet für Radler und Wanderer geworden, die den in vielen anderen Tälern herrschenden Fahrzeugverkehr meiden wollen. Das Wasser der Müglitz ist hier recht sauber, so dass man regelmäßig Wasseramseln bei der Nahrungssuche beobachten kann. Eindrucksvoll ist der manchmal auch im Winter - und dann doch ziemlich unerwartet - zu vernehmende Gesang der Wasseramseln. In der Bachaue wartet nicht selten der Schwarzstorch reglos auf Mäuse, Frösche oder auch eine Forelle am Ufer.

Das 2006 fertig gestellte Rückhaltebecken hat bereits eine lange, wechselvolle Vorgeschichte hinter sich. Bereits nach dem Hochwasser 1897 wurden Planungen für eine oder mehrere Talsperren im Müglitztal erwogen, kamen aber nicht zur Ausführung. In den 1930er Jahren - unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe 1927 - kamen erneut Pläne auf den Tisch, die wiederum wegen des Krieges ad acta gelegt werden mussten. In den 1970er Jahren schien es dann Ernst zu werden mit dem Vorhaben. Noch dringender als der Hochwasserschutz (es hatte ja auch seit längerem - 1958 - kein ernstzunehmendes Hochwasser mehr gegeben) war nun das Problem der Trinkwasserversorgung im Elbtalgebiet geworden. Das Uferfiltrat der extrem verschmutzten Elbe war kaum noch zu verwenden, andererseits der tägliche Wasserverlust der maroden städtischen Versorgungsnetze enorm.

An beiden Talhängen wurde bis zur Schafbrücke der Wald abgeholzt. Doch die klamme Finanzlage nötigte die Verantwortlichen der DDR-Planwirtschaft zur erneuten Verschiebung des Projektes. Die kahlgeschlagenen Flächen blieben sich selbst überlassen, und es entwickelte sich ein sehr interessanter Pionierwald. Erwartungsgemäß wird dieser von Birken und Ebereschen beherrscht, aber auch viele andere Baumarten konnten sich mit ansiedeln. Dies war wegen der zahlreichen Rehe und Hirsche, die innerhalb des dichten Jungwuchses optimale Deckungsmöglichkeiten fanden, nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Anfang der 1990er Jahre kam die Talsperrenplanung erneut auf den Tisch. Das Projekt sollte groß und teuer werden, mit einem zweiten Damm im Trebnitzgrund und einer Tunnelverbindung zwischen beiden Talsperren. Gute Kontakte zwischen den Planern und politisch Verantwortlichen schien eine rasche Realisierung des Projektes zu garantieren. Doch recht bald führten der Zusammenbruch vieler Industriebetriebe im Elbtal, die Sanierung der Leitungsnetze sowie rapide steigende Wassergebühren zu einem drastischen Rückgang des Trinkwasserbedarfs in Dresden, Heidenau und Pirna. Ein neuer Talsperrenkomplex dieser Größenordnung war nicht mehr zu rechtfertigen.

Das Oder-Hochwasser 1997 rückte die Gefahr von Extremniederschlägen wieder ins Blickfeld der Landesplaner. 2002 begann der Bau eines Regenrückhaltebeckens, dessen Dimensionen nach dem Hochwasser des gleichen Jahres noch vergrößert wurden. Heute hat der Schüttdamm eine Höhe von 40 Metern und kann 5 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten - doppelt so viel als vorher geplant. Das Gestein wurde aus einem neuen Steinbruch direkt neben der Dammkrone (westlich) gewonnen. Es handelt sich um ziemlich homogenen, grobkörnigen Graugneis.

Anstatt eines richtigen Stausees, wie ihn sich vor allem die Stadt Geising im Interesse einer touristischen Nutzung gewünscht hatten, steht der gesamte Stauraum für den Hochwasserfall zur Verfügung - bis auf eine reichlich vier Hektar große Wasserfläche am Grunde, die bereits einige Wasservögel für sich entdeckt haben.

Normalerweise werden Staudämme nach einem standardisierten Verfahren mit "Einheitsgrün", also generell festgelegten Rasenmischungen eingesät. Hier ist es hingegen gelungen, im Rahmen eines Versuchsprojektes Mähgut von nahegelegenen, artenreichen Naturschutzwiesen zu verwenden. Der gut besonnte Südhang und die aus Gründen der Dammsicherheit jährlich erforderliche Mahd eröffnen die Chance für neue Standorte heute seltener Wiesenpflanzen.

Alles in allem hat der Dammbau viel Natur unwiederbringlich zerstört (vor allem die Durchgängigkeit der Müglitz für wandernde Tierarten), aber auch neue Lebensräume möglich gemacht. Ganz anders verhält es sich beim zweiten großen Bauwerk, das parallel zur Hochwasserrückhaltebecken in die Landschaft geklotzt wurde: der Autobahnzubringer, der sich jetzt mit zwei alpin anmutenden Serpentinenkurven samt elf Meter hohen Stützmauern aus dem Tal windet. Vernichtet wurde dabei ein Teil einer artenreichen Bergwiese mit einem der letzten Feuerlilienvorkommen in dieser Gegend, ein großer Teil des oberhalb angrenzenden Wiesentales (mit einem Massenbestand von Dreizahn, einem unscheinbaren aber heute ziemlich seltenen Gras der Borstgrasrasen) sowie ein Waldstück mit dicken, höhlenreichen Buchen. Der Eiersteig mit dem in den 1990er Jahren eingerichteten Naturlehrpfad "Rund um Lauenstein" endet abrupt an der unter Motorradfahrern beliebten Rennpiste. An sonnigen Wochenenden hüllen deren PS-starke Maschinen das Lauensteiner Müglitztal in permanentes Dröhnen.


Bau des Autobahnzubringers am Lauensteiner Müglitzhang (2002)