Wenn Ludwig Richter sich heute von Norden her dem Rabenauer Grund näherte, würde sich seiner vermutlich nicht die romantische Stimmung bemächtigen, die ihn hier einst einige seiner schönsten Bilder malen ließ. Man muss zunächst ein sehr belebtes Einkaufszentrum mitsamt riesigem Parkplatz sowie diverse, lautstarke Freizeiteinrichtungen hinter sich lassen, bevor ziemlich abrupt die steilen Waldhänge näher rücken. Östlich des Tales erhebt sich der Hang des Kuhberges, teilweise noch mit recht artenreichem Grünland und einigen alten Obstbäumen bestanden. Die Stadt Freital versuchte in den letzten Jahren, auch den Kuhberg mit in den Freizeitkomplex einzubeziehen und hier eine Sommerrodelbahn zu errichten. Eine engagierte Bürgerinitiative konnte dies bislang verhindern.
Mit dem Überqueren der Weißeritzbrücke verlässt man nicht nur die hektische Betriebsamkeit der Stadt Freital (zumindest wochentags - an Schönwetter-Wochenenden wird der Rabenauer Grund von zahllosen Spaziergängern, Mountainbikern, Joggern, Nordic und sonstigen Walkern aufgesucht). Die Talverengung geht einher mit dem Übergang vom Rotliegend-Gebiet des Döhlener Beckens zum Freiberger Grauen Gneis - man betritt hier also das Erzgebirge.
An ihrem Unterlauf hat sich die Rote Weißeritz ein so enges Tal geschnitten, dass unterhalb der Rabenauer Mühle kein Platz mehr für irgendwelche Ansiedlungen blieb - ja, selbst der Wanderweg konnte erst 1834 und nur mit erheblichem Aufwand angelegt werden. Das galt erst recht für den Eisenbahnbau, für den mehrere Felsnasen weggesprengt werden mussten. Bis 2002 war der bachbegleitende Weg im engen Talgrund überwiegend schmal und in ziemlich wildem Zustand. Radfahren beispielsweise konnte man nur nach längeren Trockenperioden. Dies änderte sich in Folge des letzten Hochwassers, als der Weg zu seiner heutigen Breite ausgebaut wurde (auf Kosten des Bachbettes), was heute nicht wenigen Fahrzeugen (trotz Verbotsschild) das Eindringen in das Naturschutzgebiet ermöglicht. Die mit Wegebau und "Verkehrssicherungspflicht" verbundenen Baumfällungen haben dem Rabenauer Grund viel von seinem vorherigen Charakter geraubt.
Wegeverbreiterungen nach Hochwasserereignissen sind allerdings kein neues Übel im Rabenauer Grund. Auch nach der Sturzflut 1897 bahnte man sich den Weg ins Tal, indem der vorhandene Pfad erweitert wurde. Heute kaum noch vorstellbar: durch das bekannte "Nadelöhr", einem kleinen Felstunnel, führte vorher der Zugang in den Rabenauer Grund. Direkt daneben, wo heute ein mehrere Meter breiter Fahrweg verläuft, schäumte einst der Bach. 1897 wurde dann also ein Stück des Felsens weggesprengt und der Pfad außen herum geführt. Seit einigen Jahren nun hat eine um die Sicherheit der Wanderer überbesorgte Behörde diesen früher vor allem bei Kindern beliebten Tunnel mit Eisengittern verschließen lassen - der historische Ort wurde zum Müllloch.
Unmittelbar nach der Brücke am unteren Ausgang (noch vor dem Nadelöhr) zweigt rechts ein steiler Pfad in die Somsdorfer Klamm ab. In dem nur knapp anderthalb Kilometer langen Seitentälchen stürzt der Buschbach etwa 90 Höhenmeter von der Somsdorfer Hochfläche zur Weißeritz herab, umgeben von schroffen Gneisfelsen. Überragt wird die Somsdorfer Klamm von einem Felsturm namens Teufelskanzel, den man über Steinstufen erklimmen kann.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist der Rabenauer Grund auch seiner ursprünglichen Fließgewässerdynamik beraubt. Zum einen verhindert die Talsperre Malter periodische Wasserschwankungen (nur gegen natürliche Großereignisse ist das Stauwerk ziemlich machtlos, wie im August 2002 erlebt); zum anderen schneidet seit 1911 ein 460 m langer Wasserstolln die große Weißeritzschlaufe (reichlich drei Kilometer Bachlauf) ab und führt den größten Teil des Weißeritzwassers zu einem Kraftwerk. Rund 40 Meter Fallhöhe ermöglichen eine Kraftwerksleistung von 500 Kilowatt.
Der ökologische Preis dafür besteht im fast völligen Versiegen des Baches in trockenen Sommermonaten. Vor der radikalen Gewässerberäumung 2002 verblieben wenigstens noch genügend kleine Wasserlöcher zwischen den Felsblöcken, in denen Bachforellen und Groppen mitsamt ihren Nahrungstieren solche "Durststrecken" überstehen konnten. Jetzt sind solche Rückzugsräume rar geworden, und die Fische werden zur leichten Beute von Graureihern.