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Seiffener Pingen

Wahrscheinlich mehrere hunderttausend Gäste kommen alljährlich nach Seiffen (allein 100.000 zum Spielzeugmuseum!), aber nur wenige besuchen die beiden Pingen, die in unmittelbarer Nähe des Ortszentrums von der langen und interessanten Bergbaugeschichte künden. Ein Lehrpfad ("Historischer Bergbausteig") führt unter anderem zur "Geyerin" und zur "Neuglücker Stockwerkspinge".

Die beiden, nebeneinander liegenden Pingen gehören zu den im sächsischen Geotop-Kataster erfassten "sehenswerten Bergbauanlagen". Die südlich gelegene "Geyerin" wurde erstmals 1593 erwähnt und ist 22 m tief, die nördliche Pinge "Neuglück", 1570 erwähnt, ist 25 m tief.

Nachdem in den ersten Jahrhunderten das Zinn aus dem Bachkies des Seiffener Grundes gewaschen - "geseift" - worden war, begannen die Bergleute ab etwa 1480 auch dem erzführenden Gestein zuleibe zu rücken, das die zinnhaltigen Sedimente im Seiffener Grunde geliefert hatte.

Die Lagerstätte nimmt im Vergleich zu anderen des Erzgebirges eine gewisse Sonderstellung ein. Granit liegt hier offenbar in größeren Tiefen und wurde noch nicht gefunden. Dabei hat das Aufdringen von granitischen Magmen im Variszischen Gebirge sicher auch hier für die Vererzungen mit Zinnstein (Kassiterit) geführt. Im Zentrum der Lagerstätte befindet sich eine Gneis-Quarz-Brekzienzone (Zwitterstockwerk). Hitze und Druck hatten das ursprüngliche Material zu Bruchstücken zerrüttet, die in der nachfolgenden Zeit wieder neu verkitteten - ein solches Gestein wird Brekzie genannt. Dabei kam es zur Anreicherung von Erzen. Diese drangen als Dämpfe ("hydrothermal") oder Gase ("pneumatolytisch" - 400 bis 500 0C) auch in die Klüfte des umgebenden Gesteins ein und schlugen sich hier als Erzgänge nieder.

Wichtigstes Erz ist Zinnkies, ein sekundäres Umwandlungsprodukt aus einer sulfidischen Kupfer-Eisen-Zinn-Verbindung, entstanden durch Oxidation nahe der Erdoberfläche. Manche zinnsteinführende Gänge besitzen einen relativ hohen Anteil an Kupfererzen (Kupferkies, Kupferglanz, Fahlerze) mit geringem Silbergehalt. Auch Zinkblende und Bleiglanz, Arsenkies und Hämatit, Quarz und Fluorit kommen vor.

Die Erzgewinnung vollzog sich erst im Tiefbau (bis ca. 90 Meter), später auch nahe oder an der Erdoberfläche, d.h. "steinbruchähnlich" von oben nach unten. Damit handelt es sich bei den Seiffner Pingen eigentlich um "Tagebaurestlöcher" und keine Einsturzpingen (wie etwa in Altenberg). An der Geyerin-Pinge ist noch zu erahnen, auf welche Weise man einstmals das Gestein abbaute: eine rußgeschwärzte Vertiefung an der Felswand stammt vom so genannten Feuersetzen. Mit viel Holz wurde große Hitze entfacht, die Bindungen zwischen den Gesteinsbestandteilen damit gelockert, so dass die Arbeit für Schlegel und Eisen anschließend etwas leichter war.


Brandweitung an der Geyerin-Binge

In der Nähe der Pingen sind noch zwei Mundlöcher vom "Heiligen Dreifaltigkeitsstolln" und vom "Johannisstolln" vorhanden. Hinzu kommt der 1988 wiederentdeckte Erbstolln "Segen Gottes". Weiterhin befinden sich auf Seiffener Fluren noch zehn weitere, gut erhaltene Bergwerkshalden und andere bergmännische Wahrzeichen, die jetzt unter Denkmal- und Naturschutz stehen. Der Bergbausteig umfasst insgesamt 20 Stationen.

Im Jahre 1937 wurde in der Pinge "Geyerin" eine Freilichtbühne gebaut, die auch heute noch für Veranstaltungen genutzt wird. Die charakteristischen Zeugnisse des früheren Bergbaus blieben dadurch aber erhalten.