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Wiesen am Hüttenteich

Mitte des 18. Jahrhunderts war der Hüttenteich angelegt worden, um die Geisinger Pochwerke und Schmelzhütten mit ausreichend Wasser zu versorgen, das große Hämmer und Blasebälge antreiben musste. 1951/52 wurde das Gewässer wesentlich erweitert, teilweise in Mauern gefasst und mit Tribünen für 8000 Zuschauer versehen. Fortan diente der Hüttenteich im Winter als Eisschnelllaufstadion, in dem auch Deutsche Meisterschaften stattfanden. Heute ist es noch ein beliebtes Badegewässer mit weiteren Freizeitanlagen und Übernachtungsmöglichkeiten. Trotz des Ausbaus des Hüttenteiches hat der hintere Teil noch immer recht naturnahen Charakter mit mäßig artenreicher Ufervegetation (unter anderem Wasserschwertlilie und Rohrkolben) unter Aspen, Ebereschen und Weiden.

Zwischen Hüttenteichkomplex und Wanderweg erstreckt sich eine große Bergwiese. Die typischen Bergwiesenarten des östlichen Erzgebirges (Bärwurz, Rot-Schwingel, Wiesen-Knöterich, Alantdistel, Kanten-Hartheu, Weicher Pippau und Perücken-Flockenblume) sind reichlich vertreten. Hinzu kommen noch Wiesenarten, die weniger an Berglandsklima gebunden sind, sondern vor allem jährliche Mahd und ausgeglichene Nährstoffbedingungen ohne Stickstoffüberschuss benötigen: Spitz-Wegerich, Rot-Klee, Wiesen-Glockenblume, Kuckucks-Lichtnelke, Wiesen-Labkraut, Körnchen-Steinbrech und Kleiner Klappertopf. Im Mai/Juni fallen die zahlreichen hellgelben Blütenköpfe des Reichblütigen Habichtskrautes besonders auf. Auch die Gräser sind überwiegend andere als auf nährstoffreichem Intensiv-Grünland, hier überwiegen Rot-Schwingel, Goldhafer, Feld-Hainsimse, Ruchgras und Flaumiger Wiesenhafer. Feuchte und nasse Senken werden von Wald-Simse, Mädesüß und Bach-Nelkenwurz besiedelt, hinzu kommen die Gräser Wolliges Honiggras und Fuchsschwanz, die es etwas nährstoffreicher mögen. Im oberen, östlichen Teil der Wiese erkennt man noch sehr gut, dass hier früher viele verschiedene Eigentümer jeweils kleine Streifen bewirtschaftet haben. Die einen machten sich die Mühe regelmäßiger Düngung, dort dominieren heute noch Fuchsschwanz, Sauerampfer und Wiesen-Kerbel. Die anderen entzogen immer nur mit dem Mähgut die Nährstoffe, da ist auch heute noch die Vegetation niedrigwüchsiger und lässt Platz für lichtbedürftige Magerkeitszeiger wie Berg-Platterbse und Blutwurz-Fingerkraut. Auch wenn unmittelbar am Wegesrand keine der heutigen Raritäten blühen, bietet diese rund zwei Hektar große Bergwiese dennoch ein schönes Studienobjekt, zumal sich im Rückblick dahinter majestätisch der Geisingberg erhebt.

Noch artenreicher hingegen ist eine weitere, deutlich kleinere Wiese am weiteren Weg zur Kohlhaukuppe, kurz vorm Waldrand am Kalten Brunnen/Hüttenbach. Neben all den bereits genannten Arten gedeihen hier auch einige hundert Breitblättrige Kuckucksblumen sowie einige wenige Exemplare der Gefleckten Kuckucksblume. Vom Zufahrtsweg zu einem kleinen Wochenendhäuschen kann man beide Arten sehr schön sehen, ohne die Wiese betreten zu müssen. Während erstere meist schon Mitte Mai ihre purpurroten Blüten entfaltet, tritt die Gefleckte Kuckucksblume meist erst zwei bis drei Wochen später mit rosa Blüten in Erscheinung (gefleckte Blätter können übrigens beide Arten haben). Auf dieser Wiese befinden sich auch noch einige magere Bereiche, die Zittergras, Kreuzblümchen und einige wenige Arnikapflanzen beherbergen. Solche konkurrenzschwachen Arten waren einstmals im Ost-Erzgebirge weit verbreitet. Doch wurden sie zuerst durch die hohe Belastung der meisten Landwirtschaftsflächen mit Düngemitteln verdrängt, und heute fördert zunehmend der Eintrag von Stickoxiden aus Autoabgasen die konkurrenzstärkeren Gräser und Stauden, die dann den Kreuzblümchen und Arnikas das lebensnotwendige Licht wegnehmen.

'Binaaab, binaaab, binaaab!'

Zu einem echten Geisinger Bild gehören die rehbraunen Ziegen. In jedem Haisel gab's eine oder zwei; der Stall war meistens mit unter demselben Dach oder gleich an das Haus gebaut.

Fast jeden Sommertag nahmen die Frauen ihre Ziegen mit auf's Feld, aber im Herbst wurden sie herdenweise ausgetrieben. Der etwa 12 Jahre alte Ziegenhirte schrie aus Leibeskräften die Straße entlang: 'Binaaab, binaaab, binaaab' (bind ab, bind ab, bind ab!), und aus den Haustüren kamen auf seinen Ruf die Ziegen heraus. Hatte er alle beisammen, die er, jede für einen Groschen die Woche, zu hüten hatte, dann trieb er sie mit lustigem Peitschenknallen auf die abgeernteten Wiesen. Manchmal waren es 20 bis 30 Stück. Sah er drüben überm Tal andere Herden, so jodelte er laut hinüber: 'Ina, Ina! We-de-au - a-hu, a-hu, a-hu!' Nach diesen Silben kam der Name des anderen Hirten ganz langgezogen. Lange Gespräche führten die kleinen vergnügten Ziegenhirten über das Tal. War es recht kalt, da machten sie ein Reisigfeuerchen. Meistens hatten sich noch andere Jungen zur Gesellschaft eingestellt, und dann wärmten sie ihre braunen, tönernen Kaffeeflaschen und ihre Hände an den kleinen Holzflämmchen, oder sie warfen Kartoffeln zum Braten in die Glut. Wer einmal Ziegenhirte war, wird diese schöne Zeit der Freiheit nie vergessen können. Vor der Dunkelheit trieben sie wieder ein. 'Bin aaan - bin aaan - bin aaan!' (bind an!) schallte es laut durch das Städtchen. Jede Geiß wusste ihren Weg und stolperte zur rechten Haustür hinein. Die Ziegenhirten freuten sich über das Geld, das sie verdienten (sie waren arm und brauchten es notwendig für Winterschuhe, Hosen und Jacke); ihr Stolz war, die größte Herde zu hüten.

Wer ihn gehört hat, den Ruf des Ziegenhirten, dem klingt er noch immer in den Ohren: 'Bin aaab - bin aaab - bin aaab!'"

aus: Unser Geising, 1953, von Elisabeth Schierge.


Ziegenhirte (in: Unser Geising)