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Rote Weißeritz an der Schinderbrücke

Es fällt nicht leicht, im Seifenbusch, oberhalb der Schinderbrücke, spazieren oder Pilze sammeln zu gehen. Das Terrain ist durchzogen von zahlreichen Gräben, Hügeln und Senken, Böschungen einstiger Dämme. Wahrscheinlich Anfang des 15. Jahrhunderts nahm u.a. hier der Altenberger Zinnbergbau seinen Anfang, als Zinnseifner die Bachsedimente durchsiebten.

Außerdem querte an dieser Stelle die Zinnstraße (zwischen Altenberg und Freiberg) das moorige Gelände. Anfangs führte eine "elende Holzbrücke 84 Ruten (316 m) durch einen Morast". Diese war aber dem immer weiter zunehmenden Erztransporten nicht mehr gewachsen und wurde 1790 durch die steinerne Brücke ersetzt, die heute in renovierter Form noch immer als Denkmal erhalten ist.

An der Schinderbrücke wohnte früher der Abdecker (= "Schinder" = Tierkörperverwerter) des Amtes Altenberg. Aufgrund der Geruchsbelästigung und vermuteter Seuchengefahren musste der Schinder weit außerhalb der Dorfgemeinschaft wohnen und wurde von seinen Mitmenschen gemieden.

Auch unterhalb der Schinderbrücke weist die Weißeritzaue ein recht bewegtes Relief auf, auch wenn durch Hochwasser-Schotter davon manches überdeckt ist. Abgesehen davon, dass sicher auch hier Zinn geseift wurde, sollen sich in diesem Bereich die Flachs-Röste von Schellerhau befunden haben. Faser-Lein gehörte als Textilgrundstoff zu den unverzichtbaren Nutzpflanzen des Erzgebirges und wuchs auch unter kühlen und feuchten Klimabedingungen - ausreichende Kalkung der Böden vorausgesetzt (in Schellerhau gab es mindestens vier Kalköfen). Um die Bastfasern vom umgebenden Stängelgewebe trennen zu können, mussten die Pflanzen zunächst einige Wochen auf nassen Wiesen oder in flachen Teichen eingeweicht ("geröstet") werden.


naturnaher Fichtenwald an der Roten Weißeritz

Inzwischen haben sich in der sumpfigen bis moorigen Weißeritzaue naturnahe und sehr strukturreiche Fichtenwaldbestände entwickelt, teilweise gemischt mit Moorbirke. In den nassesten Mulden wächst Torfmoos, gemeinsam mit Wald-Schachtelhalm, Sumpf-Veilchen, Flatter-Binsen und verschienenen Seggen. Die etwas erhöhten Bereiche tragen reichlich Wald-Wachtelweizen, daneben auch etwas Wiesen-Wachtelweizen. Letzterer hat eine längere, blassere Blütenröhre und ist eigentlich viel häufiger - aber eben nicht hier in der frostgefährdeten Senke, da behält die montane Schwesterart die Oberhand. Eine weitere typische Pflanze ist das Pfeifengras, das mit seinen langen, knotenfreien Stängeln früher zum Reinigen der langschäftigen Tabakpfeifen diente. Zwischen den Fichtenbeständen tragen kleine, brachliegende Berg- und Nasswiesenreste zu einem bunten Biotopmosaik bei, das eine Wanderung auf dem Pfad (teilweise Knüppeldamm) entlang der Roten Weißeritz zwischen Schinderbrücke und Schellermühle zu einem besonderen Erlebnis macht.

Die Rote Weißeritz erhielt einstmals ihren Namen von der Farbe des tauben Gesteins, dass von den Pochwerken und Erzwäschen direkt in die Bäche abgegeben wurde. Zwar hat auch an der Schinderbrücke ein solches Pochwerk gestanden, aber die Hauptfracht dieses von Eisenverbindungen rot gefärbten Gesteinsmehls erhielt die Weißeritz erst in Schmiedeberg durch die Pöbel. Die heutige Farbe der Weißeritz ist, zumindest bei Schellerhau, meistens ein mehr oder weniger intensives Braun. Dieses geht nicht auf Gewässerverschmutzungen zurück, sondern auf die Huminstoffe, die bei der Zersetzung von Torf entstehen. Diese Torfzersetzung geschieht in großem Umfang in den immer mehr austrocknenden Moorresten des Seifenbusches genauso wie weiter kammwärts, etwa im Georgenfelder Hochmoor. Übrigens hat "Weißeritz" auch nichts mit der Farbe Weiß zu tun, sondern entstammt dem slawischen Wortstamm "bystr" = schnell.