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Tännichtgrund


Blick vom Lips-Tullian-Felsen

So gar nicht recht einleuchten will der Weg, den sich der Colmnitzbach im Südwesten des Tharandter Waldes gesucht hat. Während die Wilde Weißeritz keinen Umweg gescheut hat, der großen, harten Porphyrdecke auszuweichen, schneidet sich der viel kleinere Colmnitzbach hier mitten durch den höchstgelegenen Teil des Tharandter Waldes. Ein enges, steilwändiges, fast hundert Meter tiefes Tal trennt jetzt den 459 m hohen Tännichtgipfel vom nur 500 Meter Luftlinie entfernten Lips-Tullian-Felsen. Höchstwahrscheinlich war der Verlauf des Baches bereits vor der Anhebung der Erzgebirgsscholle als flache Geländemulde vorgezeichnet. Als sich vor 25 Millionen Jahren, an der Wende von Alt- zu Jungtertiär, die Erzgebirgsscholle zu heben begann, "überlegte" der Colmnitzbach mit einer Mäanderschlaufe unterhalb des heutigen Weidegutes Colmnitz zwar einen Moment, ob er nicht doch dem neuen Hindernis ausweichen solle, "entschied" sich dann aber doch für seinen alten Weg.

Als Ergebnis findet der naturkundlich interessierte Wanderer hier nun den (für den Tharandter Wald so typischen) Quarzarmen Porphyr an mehreren Felsklippen aufgeschlossen. Besonders an der Diebskammer bietet sich auch dem geologisch nicht vorgebildeten Naturfreund ein eindrucksvolles Bild, wenn von Westen die Abendsonne ins Tal hereinscheint und die dunkelrote bis violette Farbe des Gesteins hervorhebt.


Porphyr-Aufschluss am alten Bahndamm im Tännichtgrund

Allerdings sind diese Felsen nicht vollständig natürlich entstanden. Um den damaligen Eisenbahnknotenpunkt Klingenberg/Colmnitz mit der 1899 errichteten Schmalspurbahn Potschappel - Mohorn - Nossen zu verbinden, wurde (verzögert durch den Ersten Weltkrieg) 1923 noch eine Strecke durch den Tännichtgrund gebaut. Wegen der Enge des Tales war dabei der Einsatz von Dynamit unvermeidlich. Es wurde, nicht nur deshalb, die teuerste Schmalspurbahn Sachsens: inflationsbedingt über eine Billion Mark! Seit 1971/72 gibt es das einstmals dichte Schienennetz rings um den Tharandter Wald nicht mehr.

Betroffen vom Bahnbau war vor allem die Umgebung der sogenannten Diebskammer. Früher gab es auf der Westseite des Felsens eine Höhle, von der jetzt noch Wunderdinge erzählt werden. Ein goldener Tisch und andere Schätze seien darin verborgen, und ein unterirdischer Gang habe einstmals von der Höhle bis nach Grillenburg geführt. Vor über hundert Jahren ist der Eingang zur Höhle jedoch zugeschüttet worden. Die "Schwarze Garde" des berüchtigten Räuber-Hauptmanns Lips Tullian soll hier einst eines ihrer Verstecke gehabt haben.

Lips Tullian

Vor 300 Jahren - Kurfürst August der Starke war mit seinen politischen Ambitionen in Polen beschäftigt - machte ein aus Süddeutschland (oder dem Elsaß) stammender Räuberhauptmann namens Elias Erasmus Schönknecht, alias Lips Tullian, mit seiner "Schwarzen Garde" das Ost-Erzgebirge (und angrenzende Gebiete Sachsens) unsicher. Zu ihrem Repertoire gehörten Überfälle auf Postkutschen und sogar Einbrüche in Kirchen. Perfekt gingen die Diebe dabei mit Dietrich und Brechstange zu Werke. Aber sie scheuten auch keine Gewalt auf ihren Beutezügen.

Während sich seine Räuberbande im Tharandter Wald verbarg und unter recht einfachen Verhältnissen lebte, zog Lips ein komfortableres Leben in den Städten vor. Mehrfach wurde er dabei jedoch auch gefasst und in die kurfürstlichen Kerker geworfen, doch dem gewieften Räuberhauptmann gelang immer wieder die Flucht. Bis schließlich August der Starke hart durchgreifen ließ, um die Sicherheit auf den sächsischen Straßen wiederherzustellen. So wurde dann Lips Tullian in Dresden hingerichtet, vor den Augen von zwanzigtausend Schaulustigen. Ein paar Jahre später machten die Landsknechte schließlich auch die letzten Verbliebenen der "Schwarzen Garde" dingfest.

Heute wirbt die Tourismusbranche des Tharandter Waldes an der Diebskammer noch mit einem weiteren Fakt: hier soll sich der Mittelpunkt Sachsens befinden (wobei dies natürlich auch andere Orte für sich reklamieren können - ganz abhängig davon, von welchen Randpunkten aus die Vermessung vorgenommen wird.)


Mittelpunkt Sachsens am Diebskeller

Die schmale Bachaue des Colmnitzbaches wird teilweise noch als Weideland genutzt, teilweise liegen die Wiesen aber auch brach. Natürlicher Erlen-Auwald beginnt sich diese Bereiche zurückzuerobern, obwohl durch Aufräumungsarbeiten nach dem letzten Hochwasser auch am Colmnitzbach viel Natur zerstört wurde. Wie an vielen anderen Bächen auch nutzen bevorzugt Neophyten die Breschen, die Bagger an den Bächen geschlagen haben, zur Ausbreitung: Drüßiges Springkraut, Japanischer Staudenknöterich und Riesen-Bärenklau.


Colmnitzbach im Tännichtgrund

Unerwartet für das Porphyrgebiet mit seinen nährstoffarmen, sauren Böden wächst am Unterhang des Tännichtberges ein schöner, alter Buchenwald. Sicherlich sorgen am nordexponierten Hangfuß auch eiszeitliche Lößeinwehungen für eine Verbesserung der Bodenverhältnisse, aber der Bestand zeigt, dass selbst über Porphyr qualitativ gute Laubbäume zu wachsen vermögen. Große, abgestorbene Stämme zeigen darüberhinaus mit ihrem Pilzbewuchs, dass tote Bäume sehr wichtig sind für eine artenreiche Lebewelt.

Ganz im Gegensatz dazu steht die überwiegende Fichten- und (v.a. immissionsbedingt) Lärchenbestockung, die den Wanderer beispielsweise entlang der "Salzstraße" und der "Bahnhofstraße" begleitet. Die Bodenflora ist arm, Drahtschmiele dominiert.

Ein kurzer Abstecher vom genannten Weg führt zum Lips-Tullian-Felsen, einer in das Tal vorgeschobenen Porphyrklippe. Es bietet sich ein Überblick über den tief eingeschnittenen Tännichtgrund, der allerdings immer mehr von hochwachsenden Bäumen (Kiefern, Birken, Fichten, Eichen) eingeengt wird.

Am unteren Ortsende von Colmnitz lädt das zum "Naturerlebnishof" ausgebaute Weidegut vor allem Familien zu einem Besuch ein. Ein Tiergehege mit Eseln, Ponys, Ziegen, Schafen, Schweinen und Hühnern, ein Spielplatz sowie ein großer Bauern- und Kräutergarten wurden hier in den letzten Jahren angelegt. Das Weidegut Colmnitz ist auch eine von mittlerweile 16 Stationen des Computer-Natur-Lernspieles "Ulli Uhu entdeckt das Ost-Erzgebirge", mit dem die Grüne Liga Osterzgebirge vor allem Kinder im Grundschulalter und deren Eltern für die Natur der Region begeistern möchte.