Startseite | Inhaltsverzeichnis

Neuhausen mit Purschenstein


Schloss Purschenstein

Das Landschaftsbild Neuhausens wird vom Schloss Purschenstein beherrscht, das auf einem Felsrücken nordwestlich des Flöhatalkessels erbaut wurde und heute aus dichtem Bewuchs jahrhundertealter Parkbäume herausschaut. Hier ließ der Biliner Graf Borso aus dem böhmischen Geschlecht der Hrabišice/Hrabischitze in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Zoll- und Geleitsburg (den "Borso-Stein" = Purschenstein) an einem schon im 12. Jahrhundert erwähnten Fernhandelsweg errichten. Dieser "Alte böhmischen Steig" verband den Raum Halle/Leipzig mit Prag. Die Hrabischitze, später nach ihrem neuen Sitz als Riesenburger bezeichnet, unternahmen große Anstrengungen, Teile des damals noch unbesiedelten Grenzgebirges in ihren Herrschaftsbereich zu bekommen. Schließlich stand zu hoffen, dass nicht nur in Freiberg Reichtümer im Boden schlummerten.

Eingegliedert in das spätere Schloss-Ensemble Purschensteins künden noch einige Gebäudeteile auf beeindruckende Weise von der einstigen Wehrhaftigkeit der Burg. So z.B. der 42 Meter hohe Bergfried aus dem 13./14. Jahrhundert mit seinen 2,85 m starken Mauern. Auch Reste von Ringmauer, Wall und Halsgraben unmittelbar nordwestlich des Schlosses sowie die großflächige Ruine einer Vorburg im heutigen Parkgelände, die wohl in Kriegs- und Unruhezeiten als Bauernfluchtburg diente, sind noch Zeugen eines einst gewaltigen Burgkomplexes.

In nachfolgenden Jahrhunderten erfolgte der Ausbau Purschensteins zu einem repräsentativen Schloss als Herrschaftssitz der Adelsfamilie von Schönberg, die von 1389 bis 1945 die Geschicke der Region wesentlich mitbestimmte (und nicht nur dies: die Schönbergs verfügten zeitweise auch über beträchtlichen Einfluss am Dresdner Hof). Um 1550 wurden im Stil der Renaissance der dreigeschossige Mittelbau und 1573 der sich südlich anschließende Wendelstein errichtet. Etwa zur gleichen Zeit entstand der etwas abseits stehende Uhrturm, in welchem sich eine kleine Hauskapelle befand. Aus einem ihrer Fenster stammen vier in ihrer Art seltene emailbemalte Rundglasscheiben mit der Darstellung der Evangelisten nach Vorlagen des holländischen Meisters Jakob de Ghein. Sie sind "1612" datiert und wurden in der seinerzeit bedeutenden Neuhausener Glashütte Heidelbach gefertigt - nunmehr zu sehen im nahegelegenen Glashüttenmuseum. Stabwerk an einigen Fenster- und Türgewänden des Mittelbaues erinnert noch an die Spätgotik. Bedeutend veränderte sich das Schlossgebäude im 18. Jahrhundert als vom damaligen sächsischen Generalpostmeister Adam Rudolph von Schönberg der Südflügel 1776 - 1789 zu einer relativ großen, den feudalen Zeitbedürfnissen entsprechenden barocken Schlosskapelle umgebaut wurde. Etwa Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte auch die Errichtung des Nordflügels. Hierdurch ergab sich eine wirkungsvolle Umbauung des geräumigen Schlosshofes. Die Türme erhielten zu jener Zeit barocke, laternenbekrönte Turmhauben, von denen nur noch die des Uhrturmes erhalten blieb.


Schatthangwald Purschenstein

Naturkundlich besonders interessant ist der struktur- und artenreiche Laubwald des ehemaligen Schlossparks. Ein 4,5 Hektar großes Gebiet südlich und östlich des Schlosses wurde 1957 als Flächennaturdenkmal ausgewiesen. Viele alte, oft höhlenreiche Laubbäume stocken im Parkgelände und im östlich daran angrenzenden Schatthangwald. Hierzu gehören Buchen, Berg-Ahorne und Eschen. Die Strauchschicht setzt sich vor allem aus Schwarzem Holunder, Gewöhnlicher Traubenkirsche und verschiedenen Jungbäumen zusammen. Die sich seit vielen Jahren stark ausbreitenden Spitz-Ahorne müssen in Teilen des FND durch regelmäßige Auslichtungsmaßnahmen gezielt in ihrem Bestand reduziert werden, damit die seltenen Pflanzen in der Kraut- und Strauchschicht nicht verdrängt werden. Leider musste auch ein Teil der einst zahlreichen stattlichen Ulmen gefällt werden, da sie wegen des Ulmensterbens völlig abgestorben waren.

Als besonders attraktive Pflanzenarten kommen in beachtlicher Anzahl Türkenbund-Lilie, Bunter Eisenhut und die Nachtviole vor. Häufig sind weiterhin Quirlblättrige Weißwurz, das Ruprechtskraut, Schöllkraut, Wald-Bingelkraut, Berg-Weidenröschen und verschiede Farne, wie der Wald-Frauenfarn oder der Gewöhnliche Wurmfarn. Auch die Breitblättrige Glockenblume oder die Moschus-Erdbeere sind stellenweise zu finden, seit einiger Zeit auch wieder das vorübergehend verschollene Gelbe Windröschen. An seltenen Sträuchern sind die Alpen-Johannisbeere und die Gebirgs-Rose zu erwähnen.

Gut ausgebaute Wege ermöglichen Spaziergänge durch das Waldgebiet und durch die parkähnlichen Bereiche mit zwei Teichen südwestlich des Schlosses.

Seine geographische Lage ließ Neuhausen zu einem lokalen Verkehrsknoten werden. Hier kreuzen sich die im Flöhatal entlang führende Straße nach Olbernhau und die Straße von Sayda nach Deutscheinsiedel. Außerdem war Neuhausen von 1895 bis 2001 der Endpunkt der Eisenbahnlinie von Chemnitz, welche heute nur noch bis Olbernhau-Grünthal in Betrieb ist.

Trotz der ansehnlichen Zunahme der Einwohnerzahl konnten sich in Neuhausen Handwerk und Gewerbe anfangs nur spärlich entwickeln, die in dem mit städtischen Vorrechten ausgestatteten Sayda bessere Möglichkeiten besaßen. In Neuhausen benötigte die Herrschaft dagegen Tagelöhner für ihre Eigenwirtschaft. Verschwindend klein war die Anzahl der Handwerker auch im Vergleich zu den Ortschaften um Seiffen. Zu einer nahezu sprunghaften Veränderung führte die 1861 erfolgte Gewährung der Gewerbefreiheit in Sachsen. Im Jahr 1878 lassen sich beispielsweise bereits 16 Schuhmacher, 23 Maurer und 126 beruflich mit Holzdrechselarbeiten beschäftigte Personen feststellen. Vom Stuhlbau, der hier bis 1990 eine bedeutende Rolle spielte, ernährten sich zu jener Zeit bereits 25 Einwohner.

In der historischen Fronfeste des Schlosses Purschenstein, an der Straße nach Sayda, befindet sich seit 1996 ein Glashüttenmuseum, in dem ein wichtiger Teil der Landnutzungsgeschichte des Ost-Erzgebirges dargestellt wird. Die meisten Glashütten sind schon seit Jahrhunderten verschwunden, als die Holzvorräte des Erzgebirges nicht mehr reichten, sowohl Glasherstellung als auch Erzschmelzen zu versorgen, die beide enorme Mengen an diesem nur sehr langsam nachwachsenden Rohstoff benötigten. Nur die Glashütte Heidelbach am Schwartenberg produzierte bis ins 19. Jahrhundert und belieferte unter anderem den Dresdner Hof und andere Adelshäuser mit hochwertigen Glasprodukten. Das Museum zeigt eine Auswahl der Heidelbacher Erzeugnisse. Besonders interessant ist der Einblick in eine originalgetreu rekonstruierte Glashütte aus dem 16. Jahrhundert. Die Glasherstellung soll übrigens die Vorlage für ein heute im "Spielzeugwinkel" verbreitetes Handwerk geliefert haben: das so genannte Reifendrehen. Die Glasmacher drechselten hölzerne Formen, in die sie die Quarzitschmelze gossen, die dann zu Glas erstarrte. Von der Genauigkeit, mit der diese Buchenholzformen hergestellt waren, hing in wesentlichem Maße die Qualität des Glaserzeugnisses ab. Einige Drechselmeister waren darauf spezialisiert. Als die Glasherstellung auch in Heidelbach schließlich immer mehr an Bedeutung verlor, entdeckten sie, dass ringförmig gedrechselten Holzreifen auch gute Werkstücke für die Produktion von kleinen Holzfiguren darstellten. Wie dies geschieht, kann man im Freilichtmuseum Seiffen erleben.


Vorführung des Reifendrehens im Freilichtmuseum Seiffen-Heidelberg.

Etwa einen Kilometer südwestlich von Neuhausen befindet sich am linken Flöhaufer im Wald ("Wasserwand") ein kleines Serpentinit-Vorkommen. Lesesteine und Blöcke bedecken eine Fläche von ca. 200 m². Im "Taufstein" ist die Jahreszahl 1635 eingemeißelt. Sie soll auf so genannte Waldtaufen während des 30jährigen Krieges hinweisen, als sich die Bewohner wegen der ständigen Gefahren oft längere Zeit in den Wäldern aufhalten mussten.