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Bahndamm zwischen Holzhau und Neurehefeld

Wo vor Jahrzehnten reger (Güter-)Zugverkehr für reichlich Lärm und Rauch sorgte, bieten sich heute beschauliche Naturerlebnisse - im Sommer den Wanderern und Radfahrern, im Winter vielen Skilangläufern.


alte Bahnbrücke bei Neuhermsdorf

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der grenzüberschreitende Bahnverkehr auf der vorher besonders für Kohletransporte wichtigen Strecke zwischen Neuhermsdorf und Moldava/Moldau unterbrochen, seit 1972 endet die Muldentalbahn bereits in Holzhau. Die Gleise wurden abgebaut, der Bahndamm zunächst sich selbst überlassen. Auf dem kühl-schattigen Rohboden begannen sich, neben diversen anderen seltenen Pflanzen, verschiedene Bärlapp-Arten zu entwickeln. Die bedeutenden Vorkommen von Keulen-Bärlapp (Rote Liste Sachsen: "gefährdet"), Tannen-Teufelsklaue ("stark gefährdet") sowie Isslers Flachbärlapp ("vom Aussterben bedroht" - in Sachsen noch etwa zehn Vorkommen) führten zur Ausweisung des Alten Bahndammes zum Flächennaturdenkmal. Nur im Winter, wenn ausreichend Schnee liegt, können Langläufer das ehemalige Gleisbett befahren, ansonsten ist das Betreten aus Naturschutzgründen untersagt.

Oberhalb des Teichhauses verläuft über einige hundert Meter die Staatsgrenze entlang der Mulde, auf böhmischer Seite standen hier früher die Häuser von Unter-Moldau, die nach der Vertreibung der sudetendeutschen Bewohner nach 1945 ebenso zerstört wurden wie die der Gebirgsdörfer Grünwald, Motzdorf und Ullersdorf, zwei bis drei Kilometer südlich von hier. Von seiner Einmündung in die Mulde an bildet dann der Hirschbach die Grenze. Auf einer kleinen Wiese am alten Bahndamm gedeiht hier noch ein schöner Bestand an Arnika - der Rest von einstmals ganz vielen gelben Arnikawiesen rund um Moldau.

Der Kampf im Kriegswald

Im 16. Jahrhundert sah sich der Freiberger Silberbergbau mit immer größeren Problemen konfrontiert. Die oberflächennahen, reicheren Erzlagerstätten waren weitgehend erschöpft. Immer tiefer mussten die Bergleute ihre Gruben ins Gestein treiben. Doch je weiter sie sich hinab arbeiteten, um so größer wurden die Schwierigkeiten, das eindringende Wasser aus den Bergwerken zu heben, und außerdem nahm der Silbergehalt mit zunehmender Tiefe ab. Um diesen beiden Problemen Herr zu werden, benötigte man Energie - einerseits in Form von Aufschlagwasser, mit dem man die Wasserräder antreiben konnte, die ihrerseits die Pumpgestänge (die "Wasserkünste") in Gang hielten, andererseits viel Holz(-kohle), um die Schmelzhütten zu befeuern.

Beide Ressourcen waren im unmittelbaren Umfeld des Freiberg-Brander Bergreviers seit langem aufs Intensivste erschlossen. Kein Bächlein, dessen Wasser nicht über Gräben den Bergwerken und Erzwäschen nutzbar gemacht war, und kein Waldbestand, dessen Bäumchen nicht bereits bei Armstärke abgeschlagen wurden!

Um an Wasser-Energie zu kommen, drangen die Erbauer des umfangreichen Kunstgrabensystems immer weiter in Richtung Gebirge vor, um die Gebirgsbäche anzuzapfen. Auch für die Lösung des zweiten Problems, der Holzversorgung, spielten die Bäche eine immer größere Rolle. Bereits 1438 hatte man begonnen, auf der Mulde Holz zu flößen. Doch der Aufwand war enorm, denn um den Verlust an Holz so gering wie möglich zu halten, musste das bis dahin ungezähmte Fließgewässer begradigt, mussten Felsblöcke und Ufergehölze beseitigt, ja größtenteils die Ufer in Trockensteinmauern und Holzfaschinen eingefasst werden. Erst knapp einhundert Jahre später, ab 1532, als Herzog Georg im Gebiet des (daraufhin entstehenden) Ortes Holzhau ein Stück Wald erworben hatte, begann die regelmäßige Muldenflöße.

Doch das meiste Land gehörte den Herren von Schönberg auf Purschenstein, Rechenberg und Frauenstein. Denen war der enorme Freiberger Bedarf an Holz, wovon Wohl und Wehe der Bergstadt und der Bergwerke abhing, nicht entgangen. Sie wussten recht gut, ihre günstige Verhandlungsposition in klingende Münze umzuwandeln. Der Freiberger Rat versuchte deshalb, auch mit den böhmischen Herren südlich der Grenze (denen von Lobkowitz auf Bilin und Dux) ins Geschäft zu kommen. Dies wiederum führte zu zusätzlichen Spannungen, da die Muldenflöße über Schönbergs Land verlief - wenngleich diese eigentlich vom Kurfürsten dazu verpflichtet worden waren, die Holztransporte zu dulden.

Als schließlich die Lobkowitzes auch noch jenseits der damals wahrscheinlich noch nicht so eindeutig markierten Landesgrenze Holz schlagen wollten, kam es zu ernsthaften Handgreiflichkeiten. Die Schönbergs mobilisierten die Männer aus ihren Frauensteiner und Rechenberger Orten und zogen gegen die Eindringlinge zu Felde. Dabei sollen sich die Holzhauer so tapfer geschlagen haben, dass ihnen auf ewig das Recht zur freien Hutung (Hütung des Viehs) im nunmehr "Kriegsstück" bezeichneten Wald zwischen Hirschbach und Teich-Delle sowie zwischen Steinbach und Grenze gewährt wurde. Da das Offenland damals fast ausschließlich als Acker genutzt wurde, bedeutete dieses Recht für die armen Gebirgler eine wichtige Erleichterung, ihr Nutzvieh satt zu bekommen.

Bald waren auch an der oberen Mulde die Wälder geplündert. Auf der Suche nach Energieressourcen musste neuer Aufwand betrieben werden. 1624 begann der Bau der "Neugrabenflöße", mit der die Wälder an der oberen Flöha für den Freiberger Bergbau erschlossen wurden.