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Weicholdswald - beiderseits des Hirschkopfbaches


Weicholdswald im Winter

Der Name dieses Waldes geht möglicherweise auf einen Hirschsprunger Vorwerksbesitzer im 15. Jahrhundert zurück, eventuell auch auf den einstigen Bärensteiner Grundherrn Weigold von Bernstein, keinesfalls jedoch auf "Weichholz". Ganz im Gegenteil: es handelt sich um einen der eindrucksvollsten Waldkomplexe, der von der natürlichen Hauptbaumart Rot-Buche - ein typisches "Hartholz - beherrscht wird. Wie für den so genannten "Hercynischen Bergmischwald" typisch, wachsen in Teilen des Gebietes Fichten zwischen den Buchen, und im Tal der Großen Biela gedeihen außerdem noch einige recht imposante Weiß-Tannen.


Rot-Buchen

In der Mitte des Weicholdswaldes entspringt aus zahlreichen Quellmulden der Hirschkopfbach, der dann nach Nordosten zur Kleinen Biela fließt und das Naturschutzgebiet in zwei Hälften trennt. Quell- und Uferflora sind sehr artenreich, in der Baumschicht nehmen Eschen einen großen Anteil ein.

Die verbliebenen Altholzabschnitte im östlichen Weicholdswald stellen den wertvollsten Teil des Naturschutzgebietes dar. Die teilweise über 150 Jahre alten Buchen weisen einen großen Höhlenreichtum auf. Berg- und Spitz-Ahorn, Eschen, Trauben-Eichen und Berg-Ulmen sorgen für Vielfalt in der Baumschicht. Letztere zwei Arten sind allerdings zu einem großen Teil bereits abgestorben oder stark geschädigt ("Ulmensterben"), was jedoch wiederum ökologisch wertvolles Totholz in diesem Waldteil bedingt. Auch die Buchen zeigen seit Anfang der 1990er Jahre zunehmende Schadsymptome, die inzwischen auch für Laien unübersehbar sind und schon den ersten Bäumen das Leben gekostet haben. Hier handelt es sich offenbar um "Neuartige Waldschäden" - vor allem von Autoabgasen hervorgerufene, komplizierte Prozesse, die die Widerstandskraft der Buchen (und nicht nur dieser) überfordern.


nicht mehr zu leugnen: die Neuartigen Waldschäden

Die Bodenflora der strukturreichen Altbestände zwischen Hirschkopfbach und Kleiner Biela (bzw. Spülkippe) ist bemerkenswert reich an Pflanzen, die nährstoffkräftigere Böden anzeigen: Gewöhnlicher Wurmfarn, Eichenfarn, Wald-Flattergras, Wald-Schwingel, Waldmeister, Goldnessel, Wald-Bingelkraut - um nur einige zu nennen. Im Mai besonders auffällig sind die zahllosen violetten Blüten der Zwiebel-Zahnwurz (die allerdings den Rehen wohl besonders gut schmecken und recht bald wieder verschwinden). Aus planzengeografischer Sicht sind die wenigen Stängel der weißblühenden Quirl-Zahnwurz, die ihren Verbreitungsschwerpunkt eigentlich viel weiter im Osten hat und im Weicholdswald ihre Westgrenze erreicht, interessant.

Den Zwiebelzahnwurz-Buchenwald betrachten die Vegetationskundler als die montane Höhenform des Waldmeister-Buchenwaldes, und dieser wiederum ist die naturgemäße Waldgesellschaft nicht zu nasser und nicht zu trockener Böden über nährstoffreicheren Grundgesteinen (Basalt, Amphibolith, Kalk, teilweise Gneis). Auf dem eigentlich nicht als besonders vegetationsförderlich bekannten Granitporphyr würde man so etwas nicht erwarten. Des Rätsels Lösung bietet wahrscheinlich die Tatsache, dass der Weicholdswald immer ein Laubmischwald war. Hier wurde nie gerodet, und fernab der nächsten Dörfer haben sich wahrscheinlich auch Waldweide und Streunutzung in Grenzen gehalten. Genauso wichtig: im 19. und 20. Jahrhundert blieben die Buchenbestände zwischen Großer und Kleiner Biela von der Umwandlung in monotone Fichtenforsten verschont. Über lange Zeiträume konnten sich daher die Bodenorganismen an Laubblättern gütlich tun, diese zu teilweise fast mullartigem Humus umwandeln und ein mineralreiches Gemisch in den Oberböden schaffen. Saure, schwer verdauliche Fichtennadeln kamen ihnen nur in solchen Mengen unter, dass sich dies nicht negativ auf ihr Wohlbefinden und ihre biologische Aktivität auswirkte (erst heute macht den Mikroorganismen, Pilzen und Bodentieren der "saure Regen" ziemlich schwer zu schaffen). Der Wald schuf sich somit seine eigenen Standortverhältnisse, weil man ihm die Chance dazu gab. Der Weicholdswald ist ein höchst interessantes Studienobjekt.

1961 wurden 102 Hektar (etwa drei Viertel des Buchenwaldgebietes) als Naturschutzgebiet ausgewiesen, allerdings ohne Beschränkungen der forstlichen Bewirtschaftung. Bis Mitte der achtziger Jahre erfolgte die Abholzung großer Bereiche des NSG in einem rasch fortschreitenden Buchen-Schirmschlagverfahren, bei dem - zeitweilig - einige Überhälter auf der ansonsten weitgehend kahlgeschlagenen Fläche belassen werden, um Samen und Schutz für die Naturverjüngung zu liefern. Hohe Schalenwildbestände sorgten dafür, dass die jungen Buchen nicht gleichmäßig dicht aufwuchsen, so dass sich heute weite Bereiche im zentralen Teil des Weicholdswaldes als relativ strukturreiche Laubholzdickung mit einem hohen Anteil an Birken und nachgepflanzten Fichten darstellen.

Größere Pflegeeingriffe unterblieben aus Kostengründen während der DDR-Zeit. Die Buchen wuchsen überwiegend zu Hallenbeständen empor, mit langen, ziemlich geraden Stämmen und kleinen, eng miteinander verwobenen Kronen. Durch dieses Kronendach fiel kaum Licht auf den Boden. Die Bodenvegetation war entsprechend lückig und artenarm, natürliche Buchenverjüngung hatte keine Chance. Seit den 1990er Jahren wird nun zwischen Hirschkopfbach und Bielatalstraße die Waldpflege nachgeholt. Dies bringt zunächst oft erhebliche Rückeschäden an Bäumen, Böden und Waldpflanzen mit sich, führt längerfristig aber zu einem deutlich strukturreicheren Waldbild. Das sichtbarste Ergebnis sind die jungen Buchenbäumchen, die heute dicht an dicht emporwachsen. Etwas mehr Rücksicht auf die besonderen Belange eines Naturschutzgebietes wären allerdings bei den Bewirtschaftungsmaßnahmen angebracht. Die Freigabe von abgesteckten Claims auf den Waldschlägen zur nachfolgenden privaten Brennholznutzung ist höchst kritisch, werden doch dabei die überlebenswichtigen Organismen der Waldböden ihres wichtigsten Futters beraubt.

Etwa die Hälfte des Weicholdswaldes ist 1999 als "Naturwaldzelle" ausgewiesen. Dabei handelt es sich um einen speziellen Schutzstatus entsprechend des Sächsischen Waldgesetzes, nach dem in solchen Gebieten in Zukunft keine forstlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen mehr erfolgen sollen. Stattdessen wird hier geforscht, wie sich ein Wald entwickelt, wenn er sich selbst überlassen bleibt. Die Wissensdefizite darüber sind groß, denn Urwälder gibt es in Mitteleuropa längst nicht mehr. Gegenstand der Untersuchungen ist auch, wie sich geänderte Lebensbedingungen, etwa infolge des Klimawandels und der andauernden Belastung mit Schadstoffen aller Art, auf die Waldgesellschaften auswirken, wenn kein Förster ständig versuchen muss, die Schäden zu reparieren. Auffälligste Gerätschaft der laufenden Untersuchungen sind die an den Buchenstämmen befestigten "Baumeklektoren", mit denen Insekten erfasst werden. Der größere Teil der Naturwaldszelle erstreckt sich rechts des Hirschkopfweges.