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Georgenfelder Hochmoor


Es ist heute kaum noch vorstellbar, welche Ausdehnung Moore im Kammgebiet des Ost-Erzgebirges einstmals hatten. Die "Weechen" ("Weichen") und der "Filz" waren Orte, die von den Menschen besser gemieden wurden, wenn sie nicht unbedingt dahin mussten - zu groß schien die Gefahr, Moosmänneln, Matzeln oder Waldweibeln zu begegnen. Und doch wurden die Moore seit dem 16. Jahrhundert immer kleiner, als die Altenberger Bergwerke ihre Kunstgräben immer weiter in Richtung Erzgebirgskamm vorantrieben. Nur auf der Wasserscheide zwischen Wilder Weißeritz und Bystrice/Seegrundbach blieben die am stärksten vermoorten Bereiche - mit zwei bis vier Meter mächtigen Torfkörpern - bis heute erhalten.

Auf der deutschen Seite der Grenze erschließt ein 1200 Meter langer Knüppeldamm das Naturschutzgebiet Georgenfelder Hochmoor. Besucher haben hier die seltene Gelegenheit, einmal in das Innere eines Moores vorzudringen und den Lebensraum von (heutzutage) seltenen Pflanzen und Tieren kennen zu lernen. Betrieben wird das Objekt vom Förderverein für die Natur des Osterzgebirges. Damit der Knüppeldamm in Ordnung gehalten und das Hochmoor selbst durch vielfältige praktische Naturschutzmaßnahmen bewahrt werden kann, wird für das Betreten ein kleiner Eintritts-Obulus kassiert.

Unmittelbar nach dem Eingang führt der Pfad durch das Seitenkantenlagg (eine allgemeine Darstellung zum Aufbau eines Hochmoores bietet Band 2 des Naturführers Ost-Erzgebirge mit dem Kapitel "Geheimnisvolles und gefährdetes Leben der Moore"). Hier dringt etwas mineralreicheres Sickerwasser vom Lugstein her in den Randbereich des Gebietes ein und führt zu geeigneten Existenzbedingungen von so genannten Zwischenmoorarten. Dazu Schmalblättriges Wollgras, Sumpf-Veilchen, verschiedene Seggen und die Orchidee Gefleckte Kuckucksblume. Das gehäufte Auftreten des Pfeifengrases zeigt die Austrocknung an, weil nur noch wenige Bäume ringsum für Verdunstungsschutz sorgen. Der frühere Fichten-Moorwald ist verschwunden, an Gehölzen wachsen stattdessen Moor-Birken und Ohr-Weiden.


Moor-Kiefer

Der größte Teil des Georgenfelder Hochmoores wird von Latschen-Kiefern geprägt. Dabei handelt es sich vor allem um die strauchförmige Wuchsform der Berg- oder Moor-Kiefer, während die höherwüchsigen, eher baumförmigen Vertreter der gleichen Art - die Spirken - hier weitgehend verschwunden sind. Aber auch den Latschen haben die Waldschäden und vermutlich auch nachfolgende Krankheitserreger (Pilze) zugesetzt. Anstatt vier bis fünf Nadeljahrgänge haben die meisten Exemplare nur noch ein bis zwei, und viele Nadeln sind bräunlich gefärbt. Die Moor-Kiefern bedecken fast den gesamten Kernbereich des Moores und zeigen die Austrocknungstendenzen des Ökosystems an. Eine moortypische, weitgehend gehölzfreie Kernzone besitzt das Georgenfelder Hochmoor schon lange nicht mehr. Nur an wenigen Stellen wird die natürliche Bulten-Schlenken-Dynamik sichtbar. "Schlenken" werden die meist wassergefüllten Senken genannt, "Bulte" die kleinen, von nach oben wachsenden Torfmoosen gebildeten Erhebungen. Anders als in einem intakten Hochmoor sind die meisten Bulte hier nicht mehr nach einigen Jahrzehnten in sich zusammengesackt und wieder zu Schlenken geworden, sondern mangels Wasser mineralisiert worden. Die vorher vom hohen Moorwasserspiegel ausgesperrten Bodenorganismen machen sich dann über den unzersetzten Torf her und bereiten Boden für Kleinsträucher (Heidekraut, Heidel- und Preiselbeere), aber auch für Moorbirken, die ihrerseits dann dem Biotop noch mehr Wasser entziehen.


Trunkel- oder Rauschbeere

Moosbeere

Wo noch kleinere nasse Senken vorhanden sind, findet der Besucher zwischen den bestandesbildenden Torfmoosen Moosbeere, Trunkelbeere und an wenigen Stellen auch Sonnentau. Um die Trunkel- oder Rauschbeere ranken sich Berichte, schon der Genuss einer kleinen Menge würde in Rauschzustände versetzen. Nach neueren Erkenntnissen soll dieser Effekt nicht durch die Früchte selbst, sondern durch einen Pilz an deren Oberfläche hervorgerufen werden. Im Erzgebirge scheint dieser Pilz allerdings weniger zuhause zu sein. Davon abgesehen ist in einem Naturschutzgebiet selbstverständlich auch das Pflücken der verlockenden Beeren von Kleinsträuchern nicht gestattet.

Einen größeren Offenbereich stellt der Grenzgraben dar, der allerdings bis vor wenigen Jahren noch von Grenzschützern auf ziemlich rabiate Weise gehölzfrei gehalten wurde: mit Herbiziden. Vor allem Heidekraut wächst hier und bietet mit seinen rosa-violetten Blüten einen hübschen Spätsommeraspekt. Ursprünglich war der Grenzgraben vielleicht eine Rülle - ein in Hochmooren natürlicherweise ausgebildete Abflussmulde.

Einen wesentlichen Grund, warum das Georgenfelder Hochmoor so stark von Austrocknung betroffen ist, können die Besucher nach rund der Hälfte der Knüppeldammstrecke sehen: hier nimmt der Neugraben seinen Anfang, der einen großen Teil des Galgenteich-Wassers sammelt. Seit Ende der 1980er Jahre wird versucht, die Gräben wieder anzustauen und das für das Moor lebenswichtige Wasser zurückzuhalten (damals in Form freiwilliger Studenteneinsätze, heute durch Mitarbeiter des Fördervereins für die Natur des Ost-Erzgebirges). Inzwischen zeigen die umfangreichen Grabenstau-Maßnahmen doch beachtliche lokale Erfolge. Moortypische Torfmoose erobern sich die neuen Nassflächen und beginnen wieder zu wachsen. Allerdings erkennt man auch, wie weit der Wasserspiegel rings um die Gräben bereits unterhalb der alten Mooroberfläche liegt. Eine vollständige Regeneration ist hier auf absehbare Zeit nicht mehr möglich, zu weit fortgeschritten ist inzwischen die Mineralisation des Torfes.


Mit Grabenanstaumaßnahmen versuchen Naturschützer, wieder Wasser im Moor zurückzuhalten.

Der weitere Weg führt an einem Bestand des Sumpfporstes vorbei. Obwohl es nicht sicher ist, ob diese Art hier nicht (wie die Zwerg-Birke) früher angepflanzt worden ist, handelt es sich um eines der letzten Vorkommen im Erzgebirge. Einstmals wurde die giftige Moorpflanze als "Mottenkraut" gesammelt.

Den westlichen Teil des Georgenfelder Hochmoores prägen alte Torfstiche. Bis 1926 wurde hier Torf als zwar geringwertiges, aber preiswertes Heizmaterial gestochen. Ein Ende dieses Lebensraumes wertvoller und schon damals nicht mehr häufiger Tier- und Pflanzenarten war absehbar. Der Landesverein Sächsischer Heimatschutz kaufte das Gebiet und konnte es so für die Nachwelt erhalten. Anders als etwa bei der Fürstenauer Heide blieb das Georgenfelder Hochmoor auch nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont von der Abtorfung.


Torfstich im Georgenfelder Hochmoor

In den alten Torfstichbereichen hat der in den letzten Jahren vollzogene Stau alter Gräben die größten positiven Effekte hervorgebracht. Fast die gesamte Sohle ist wieder vernässt und wird in erstaunlich raschem Fortschritt von Torfmoosen sowie Scheidigem Wollgras in Besitz genommen. Als Erinnerung an die frühere Nutzung des Moores ist eine kleine hölzerne Torfstecherhütte erhalten. An den Torfstichwänden lässt sich die tausende Jahre alte Geschichte des Moores nachvollziehen, da in dem nur wenig zersetzten Torf auch Reste der Pflanzen erhalten sind, die in früheren Zeiten hier wuchsen. Und nicht nur dies: Auch aus der Umgebung eingewehte Pollen bewahrte das Moor auf, schön in der zeitlichen Reihenfolge geschichtet. Daher ist bekannt, dass das Klima nach der letzten Eiszeit warm und trocken war. Aus ihren südosteuropäischen Refugien wanderten Birken und Hasel ein, später kamen Eichen. Mit der Abkühlung des Klimas vor 5000 Jahren wanderten die Fichten ein, außerdem begann zu dieser Zeit die eigentliche Moorbildung.


tschechischer Teil des Hochmoores, von winterlichem "Böhmischen Nebel" eingehüllt

Ursprünglich war das Georgenfelder Hochmoor Teil eines 100 bis150 Hektar großen Moorkomplexes auf der nur sehr schwach geneigten Kammebene zwischen Lugsteinen und Pramenác/Bornhauberg. Darauf bezieht sich wahrscheinlich auch die am Eingang des Georgenfelder Hochmoores und in vielen Broschüren zu lesende Information, der weitaus größte Teil befände sich auf tschechischem Gebiet. Das angrenzende tschechische Naturschutzgebiet Cínovecké rašelinište/Zinnwalder Hochmoor endet allerdings bereits an der Straße Cínovec - Nové Mesto und ist kleiner als das reichlich 12 Hektar große Naturschutzgebiet auf der deutschen Seite. Südlich der Straße wurde die Landschaft bis in die jüngste Vergangenheit mit tiefen Entwässerungsgräben durchzogen. Der Boden trocknete aus und wurde in den 1980er Jahren mit Blaufichten bepflanzt. Erst einen Kilometer weiter südlich existiert noch ein größerer und höchst wertvoller Moorbereich namens U jezera/Seeheide. Die Seeheide ist ein sehr interessantes Ökosystem, aber wohl eher etwas für besonders interessierte Moorfreunde. Denn im Gegensatz zum Georgenfelder Hochmoor gibt es hier keinerlei Wege ins Moor hinein, nur breite Forstschneisen ringsherum.

Sehr interessante und bedeutende Biotope sind auch die vor Jahrhunderten den "Kiefern-Weechen" abgerungenen Wiesen am Rande des Georgenfelder Hochmoores. Besonders am Ausgang ist noch einer der früher landschaftsprägenden Borstgrasrasen mitsamt der typischen Pflanzengarnitur erhalten. Dazu zählen unter anderem Wald-Läusekraut, Gefleckte Kuckucksblume und Arnika. Dank der jährlichen Mahd konnte sich die Arnika in den letzten Jahren wieder zu einem schönen Bestand entwickeln. Verschwunden ist hingegen seit mehreren Jahrzehnten die kleine Orchidee Weißzüngel, eine einstmals typische Art der Erzgebirgs-Borstgrasrasen, die heute aber nur noch zwei oder drei Vorkommen im West-Erzgebirge besitzt.

Zwischen Georgenfeld und Hochmoor erstrecken sich mehrere sehr schmale Wiesenstreifen, abgetrennt durch grasüberwachsene Steinrücken. Dies waren die kärglichen Felder, die den aus Böhmen ausgewiesenen Glaubens-Exulanten zugewiesen worden. Es muss ein sehr hartes Leben gewesen sein auf dem Erzgebirgskamm!


Blick über die Hochmoorwiesen, dahinter die Berge des Böhmischen Mittelgebirges