Natur im Osterzgebirge

NSG Am Galgenteich Altenberg

Quelle: www.umwelt.sachsen.de

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14 Hektar, Unterschutzstellung 1997, landesweite Registriernummer D90

Es ist ein eigenartiges, menschengemachtes Standortsmosaik, das sich “Sachsens größter Orchideenbestand” gewählt hat: Zigtausende Breitblättrige Kuckucksblumen sorgen Ende Mai bis Mitte Juni für ein purpurnes Blütenmeer, wo noch in den 1980er Jahren Biathleten ihre Bahnen zogen und zahlreiche Zuschauer den Wintersportwettkämpfen beiwohnten. Dazwischen haben sich etliche weitere botanische Raritäten angesiedelt. Doch würden die Flächen nicht naturschutzgerecht gepflegt, wäre diese Pracht längst wieder verschwunden.

Sachsens größter Orchideenbestand – Breitblättrige Kuckucksblume

Nutzungsgeschichte

Galgenteichgebiet um 1916

Vermutlich Ende des 14./Anfang des 15. Jahrhunderts begann in der Gegend um Altenberg der Bergbau. Zunächst gewann man das Zinn durch “Seifen” – das Auswaschen aus Bachkies – vor allem am Oberlauf der Roten Weißeritz. An der Schinderbrück, wo bei Schellerhau die alte Zinnstraße die Weißeritz querte, erkennt man heute noch die Hinterlassenschaften dieser frühen Form der Erzförderung.

Doch dieses aus natürlichen Verwitterungsprozessen entstandene Rohstoffreservoir war schnell erschöpft. Der Untertageabbau gewann an Bedeutung. Doch je tiefer sich die Bergleute ins Gestein vorarbeiten mussten, umso schwieriger wurde das Problem, die Abbauorte begehbar, d.h. trocken zu halten. So genannte “Wasserkünste” wurden betrieben, um das Grubenwasser herauszuschöpfen. Diese Wasserkünste wiederum wurden von Aufschlagwasser in Gang gehalten. Um davon genügend vorrätig zu haben, wurden um 1550 Uhr der Kleine und der Große Galgenteich angelegt, deren Inhalt wiederum mit “Kunstgräben” (Neugraben und Quergraben) aus dem vermoorten Umfeld des Kahlebergs herangeführt werden musste. Zusätzlichen Wasserbedarf hatten die Erzwäschen und Pochwerke sowie die auf der Weißeritz betriebene Holzflößerei. Zum Zeitpunkt des Baus galt der Große Galgenteich als eine der größten Bergbau-Stauanlagen.

landschaftlich besonders reizvoll: Galgenteich mit Blick zum Kahleberg (Foto: Heinz)

Dabei war er noch deutlich kleiner als heute. Erst Anfang der 1940er  Jahre erfolgte der Ausbau auf seine heutige Größe, mit einem Speichervermögen von 0,7 Millionen Kubikmetern.  Mit der Intensivierung industriellen Zinnbergbaus in Altenberg zu DDR-Zeiten reichte aber auch diese Wassermenge nicht mehr aus. 1987 begann man, inmitten des Seifenmoores (von Ende der 1960er Jahre bis 1977 Naturschutzgebiet) mit dem Bau des dritten Galgenteiches.  Auch nach dem Ende von DDR und Altenberger Zinnbergbau wurde dieser Bau fortgesetzt und 1993 vollendet, nunmehr als 1 Mio m3 fassender  Trinkwasserspeicher.

Altenberg (1908)

Nördlich der Galgenteiche, bis zur “Dresden-Teplitzer Straße” (der heutigen B170), und darüber hinaus bis ins Quellgebiet der Kleinen Biela zogen sich magere, feuchte Wiesen, vermutlich von Borstgras- und Kleinseggenrasen dominiert.  Nur ein kleiner Bereich im Ostteil des heutigen NSG ist davon übriggeblieben. Der Kleine Galgenteich wurde zu DDR-Zeiten zunehmend als Freizeitgewässer ausgebaut und westlich davon, auf den ehemaligen Wiesen, ein Campingplatz angelegt.  Parallel zur Straße erfolgte beidseits die Aufforstung eines Fichtenstreifens, vermutlich zum Schutz vor Schneeverwehungen. Der F170/B170 kam zunehmend Bedeutung für den Gütertransit zu. Bevor der Verkehr 2007 auf die Autobahn verlagert wurde, stauten sich unweit des NSG täglich mehrere tausende Transit-Lkws.

In den 1960er Jahren entschied die sozialistische Sportpolitik, Altenberg zum Biathlonzentrum zu machen. Dazu entstand nördlich des Galgenteichs eine Trainings- und Wettkampfarena. Dieses Biathlonstadion war bis Mitte der 1980er Jahre in Betrieb, dann reichte der Platz nicht mehr, und die neuen Skisportanlagen im Hofmannsloch (zwischen Kahleberg und Lugsteinen) wurde erschlossen.

Mit dem Ende der Nutzung als Sportstätte entwickelte sich die nunmehr ungenutzte Brachfläche zu einer Art wilder Bauschuttdeponie, wenig beachtet im von Zinnbergbau industrialisierten und durch schlimme Waldschäden gezeichneten Umfeld von Altenberg.  Weichlaubhölzer begannen aufzuwachsen.

1990 schließlich wurden ca. 30 Exemplare Breitblättrige Kuckucksblume im Gelände des ehemaligen Biathlonstadions entdeckt – und entschieden, den Bereich künftig zu mähen.  Die Gehölzsukzession konnte aufgehalten werden. Rasch vervielfachte sich die Zahl der Orchideen, immer weitere botanische Raritäten konnten sich ansiedeln oder wurden neu entdeckt. Nach erneuter, illegaler Bauschuttablagerung in den 1990er Jahren musste ein Bauunternehmen Geländemodellierungen mit Anlage von Laichmulden für Amphibien vornehmen.

Seit 1997 steht das Gebiet nun unter Naturschutz, seit etwa zehn Jahren gehört es darüberhinaus zum sogenannten Fauna-Flora-Habitatgebiet “Bergwiesen um Schellerhau und Altenberg” und damit zum europäischen Schutzgebietssystem Natura 2000.

Naturraum

NSG Am Galgenteich von oben (Foto: Menzer)

Auf dem nach Norden vorgeschobenen Seitenkamm Kahleberg – Tellkoppe – Kohlberg gelegen, bildet das Galgenteichgebiet die Wasserscheide zwischen Müglitz und Weißeritz (der Kleine Galgenteich entwässert in die Müglitz, der Große Galgenteich liegt in der natürlichen Quellmulde der Roten Weißeritz).  Die Niederschlagsmengen sind hier, im Vergleich zum übrigen Ost-Erzgebirge, besonders hoch: über 1000 mm im Jahr. Beim Hochwasser 2002 wurden zwischen 11. und 13. August am Wasserwerk des Neuen Galgenteichs 420 mm Regen registriert – mehr als jemals zuvor oder danach irgendwo in Deutschland.

moorartige Uferbereiche im Süden des Großen Galgenteichs (Foto: Zänker)

Das weitgehend ebene Gelände auf der Wasserscheide bewirkt, dass die hohen Jahresniederschlagsmengen nicht sofort abfließen, sondern sich in kleineren Senken stauen.  Die Böden sind staunässegeprägt, mit natürlicher Tendenz zur Moorbildung.

Blütenpracht statt Biathlon

Zugrunde liegt dem NSG größtenteils Schellerhauer Granit, der im Norden an Teplitzer Quarzporphyr (Rhyolith) angrenzt. Beides sind saure Gesteine, bei deren Verwitterung nur wenige Pflanzennährstoffe freigesetzt werden.  Doch im größten Teil des NSG wurden die natürlichen Bodenverhältnisse durch Bau, Betrieb und Abriss des Biathlonstadions sowie nachfolgende Bauschuttablagerungen grundlegend verändert.  Angeblich soll bei der Errichtung der Sportanlagen auch basisches Basaltgestein vom Geisingberg verwendet worden sein (SMUL 2009), was das unerwartete Vorkommen auch anspruchsvollerer Pflanzenarten erklären könnte. Wahrscheinlicher ist hingegen, dass sich im Bauschutt kalkhaltiges Material befunden hat.

In jedem Fall sind größere Flächenteile erheblich verdichtet. Dies verstärkt einerseits die Stauwirkung der auch natürlicherweise flachgründigen Böden.  Andererseits führt dies bei sommerlicher Trockenheit auch rasch zu Wassermangel, die Laichtümpel trocknen oft aus (die Kaulquappen enden als Vogelfutter).

Diese sowohl räumlich als auch zeitlich sehr variablen Standortsbedingungen und die allgemeine Nährstoffarmut verhindern, dass Konkurrenzstrategen unter der Pflanzenwelt zur Dominanz gelangen können.  Entscheidend für die Artenvielfalt ist jedoch die regelmäßige Mahd, ansonsten hätten Gehölze längst komplett Platz ergriffen und die Offenlandarten verdrängt.

Vegetation

Die ersten Moor- und Sandbirken, Sal- und Ohr-Weiden sowie Ebereschen hatten recht bald nach der Nutzungsauflassung des Biathlonstadions begonnen, auf den Rohböden zu keimen. Wo Mahd und Entbuschungen der Sukzession nicht Einhalt geboten haben, konnten sich daraus recht strukturreiche Weichlaubholz-Wäldchen entwickeln.

Die Fichtenbestände am Rande und außerhalb des Naturschutzgebiets hingegen gehen auf Aufforstungen zurück. Westlich des NSGs, in der Nähe der Schellerhauer Straße, haben auch einige Weiß-Tannen im Schutze der damaligen Fichtendickung die Zeit der Schwefeldioxid-Waldschäden überstanden. (Die Ebereschen indes sind heute von den sogenannten Neuartigen Waldschäden gezeichnet, die in erster Linie auf Autoabgase zurückzuführen sind. Auch nach dem Ende des Transit-Lkw-Verkehrs auf der B170 zeigt sich noch keine Verbesserung des Gesundheitszustandes.)

Breitblättrige Kuckucksblume und Wald-Läusekraut

Aufsehenerregend ist die Zeit der Orchideenblüte mit bis zu (grob geschätzten) 50.000 Exemplaren Breitblättriger Kuckucksblume. Gegenüber den Geisingbergwiesen beginnt diese Blütezeit hier meist ein bis zwei Wochen später, meist erst Ende Mai, Anfang Juni. Später kommen dann noch einige Exemplare Gefleckte Kuckucksblume zur Blüte.

Weniger zahlreich und auffällig sind zwei weitere Orchideenarten, das Stattliche Knabenkraut und das Große Zweiblatt. Wie der ebenfalls vorkommende Purgier-Lein gelten diese eigentlich als basenliebend, was für die “Verbesserung” der eigentlich sauren, armen Böden durch kalkhaltigen Bauschutt (oder Basalt) spricht.

umfangreiche Fettkraut-Vorkommen (Foto: Zänker)

 

 

Eine vegetationskundliche Einordnung der Pflanzenwelt ist auf den menschengeformten Standorten schwierig. Eng verzahnt kommen Arten der mageren Bergwiesen, der feuchten Borstgrasrasen und der nassen Kleinseggensümpfe vor. Zu den botanischen Besonderheiten gehören u.a. Wald-Läusekraut, Moor-Klee, Fettkraut, Quendel-Kreuzblümchen und Natternzunge – alles lichtbedürftige, konkurrenzschwache Pflanzen. Am Rand der kleinen Tümpel wachsen Zwiebel-Binse und Sumpfbinse. Standorte, die nicht über längere Zeit wassergesättigt sind, lassen Arnika, Augentrost und Berg-Platterbse gedeihen.

Tierwelt

Sechsfleck-Widderchen (Foto: Brümmer)

Die Blütenvielfalt lockt im Sommer zahlreiche Schmetterlinge an, darunter u.a. Lilagoldfalter und Violetter Waldbläuling.  In den Tümpeln leben die Larven spezialisierter Libellen, v.a. der Glänzenden Binsenjungfer und der Gefleckten Heidelibelle (denen das sommerliche Trockenfallen der Kleinstgewässer offenbar wenig ausmacht).  In manchen Jahren bleiben die Laichtümpel auch im Sommer wassergefüllt, was für die Erhaltung der Populationen von Bergmolch, Erdkröte und Grasfrosch ausreicht. Diese wiederum bilden vermutlich die Nahrungsgrundlage der hier lebenden Kreuzottern.

Häufigster Vogel scheint in den Fichtenstangenhölzern und Gebüschgruppen der Fitislaubsänger zu sein.  Neuntöter, Dorngrasmücke, Baumpieper, Birkenzeisig und Bluthänfling gehören zu den Vögeln, denen das Gebüsch-Offenlandmosaik zusagt.

Systematische Erfassungen der Tierwelt des Naturschutzgebiets stehen noch aus.

Naturerlebnismöglichkeiten:

War das “Alte Biathlonstadion” in den 1990er Jahren noch ein Geheimtipp unter Botanikern, so hat sich “Sachsens größter Orchideenbestand” inzwischen längst herumgesprochen. Einheimische wie weitgereiste Naturfreunde  besuchen das Gebiet, vor allem zur Blütezeit im Juni. Die Naturschutzbehörde sah sich vor einigen Jahren veranlasst, den Besucherstrom “zu kanalisieren”.  Holzabsperrungen sollen das Betreten der wertvollsten Bereiche verhindern. Stattdessen  wurde ein Rundweg markiert und mit einigen Informationstafeln versehen.

Auf Nachfrage organisiert die Grüne Liga Osterzgebirge naturkundliche Führungen.

Altenberg ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Linienbus von Dresden und Teplice, Müglitztalbahn) auch am Wochenende sehr gut erreichbar.

weitere naturkundlich interessante Ziele in der Umgebung:

Großer Galgenteich und Kahleberg

Adressen:

Landratsamt Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Tel. 03501 515-3430; bernard.hachmoeller@landratsamt-pirna.de

Naturschutzstation Osterzgebirge: Am Bahnhof 1, 01773 Altenberg; Tel. 035056-23271; naturschutzstation-osterzgebirge@outlook.com

Schutzgebietsverordnung:

Verordnung des Regierungspräsidiums Dresden zur Festsetzung des Naturschutzgebietes “Geisingberg” vom 27. November 2000; geändert am 13.04.2007

Literatur:

Weber, Jens (2007): Kahleberggebiet; in: Naturführer Ost-Erzgebirge, Band 3: Naturkundliche Wanderziele, Hrsg: Grüne Liga Osterzgebirge

SMUL (2009): Naturschutzgebiete in Sachsen, S. 592

http://www.osterzgebirge.org/gebiete/15_7.html

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